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DOI: 10.1055/s-2007-982796
Lokale Gesundheitspolitik und Gesundheitsplanung aus der Sicht der EntscheidungsträgerInnen des kommunalen politisch-administrativen Systems
Zusammenfassung:
Zur Entwicklung einer bedarfsgerechten kommunalen Gesundheitspolitik wurde in NRW mit Inkrafttreten (1997) des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGDG)) die Umsetzung zweier neuer Aufgabenbereiche in den Gesundheitsämtern verpflichtend: kommunale Gesundheitsberichterstattung (GBE) und kommunale Gesundheitskonferenz (KGK). Diese neuen Aufgaben dienen als Steuerungs- und Planungsinstrumente für eine verbesserte gesundheitsbezogene Versorgung vor Ort. Ihre zentrale Zielsetzung liegt in der wissensbasierten (Mit-)Gestaltung einer kommunalen Gesundheitspolitik, an dessen Konturierung (neben den Akteuren des Gesundheitswesens) insbesondere auch die Entscheidungsträger des kommunalen politisch-administrativen Systems (PAS) beteiligt sein sollen.
Im Kreis Heinsberg sind seit Mitte der 90er Jahre sowohl die Gesundheitskonferenz als auch die Gesundheitsberichterstattung etablierte Aufgabenbereiche des Gesundheitsamtes. Vor dem Hintergrund dieser langjährigen Erfahrung wurde die vorliegende Studie mit dem Ziel konzipiert, gesundheitsbezogene Einstellungen, Entscheidungsmuster und berufliche Aktivitäten der im kommunalen Politik- und Verwaltungssystem tätigen Entscheidungsträger zu analysieren. Anlass für die Studie war die nach wie vor bestehende „Zurückhaltung“ der meisten politischen und administrativen Führungskräfte, die neuen Planungsinstrumente für gesundheitsbezogene Entscheidungsprozesse und Agenda Settings zu nutzen.
44 Führungskräfte aus Politik und Verwaltung (Bürgermeister, Partei-/Fraktionsvorsitzende, Dezernenten, Amtsleiter) wurden mündlich mit einem strukturierten Fragebogen interviewt.
Die befragten Führungskräfte sind nach eigenen Angaben mit einer Reihe von Aufgaben mit gesundheitlichen Aspekten befasst, obwohl der Schwerpunkt ihrer Zuständigkeit außerhalb des Gesundheitsbereiches liegt. Bei den Entscheidungsträgern in der Verwaltung liegt nach Schulwesen, Jugendarbeit und Wirtschaftsförderung das Politikfeld Gesundheit in einer gewichteten Rangfolge auf Platz vier. Bei den Kommunalpolitikern und Bürgermeister/in kommt Gesundheit in dieser Rangfolge erst auf Platz acht. Die Anknüpfungspunkte an ein Politikfeld „kommunale Gesundheit“ sind den Befragten sehr bewusst. Dies führt allerdings nicht zu einer aktiven Handhabung der beiden Steuerungsinstrumente GBE und KGK – sei es durch gesundheitsbezogene Themenvorschläge oder durch die Teilnahme an den Diskussionen und Beschlussfassungen in der Gesundheitskonferenz. Die Entscheidungsträger des PAS haben offensichtlich einen eigenen, spezifischen Informationsbedarf, der berücksichtigt werden sollte. Dies gilt um so mehr als die Befragten selbst vielfältige Vorschläge zur aktiven Gestaltung lokaler Gesundheitspolitik formulieren. Wird von den Akteuren des Gesundheitswesens die Gesundheitskonferenz als Plattform für Prioritätensetzung, Agenda Setting und Herstellung von Verbindlichkeit für gemeinsame Maßnahmenumsetzung inzwischen anerkannt und genutzt, so ist den Entscheidungsträgern des PAS dieses Forum zwar bekannt, aber ungewohnt im Hinblick auf eine gezielte Nutzung zur Interessenswahrnehmung und –durchsetzung. Hier ist insbesondere die Gesundheitsfachverwaltung aufgefordert, den politischen und administrativen Entscheidungsträgern noch nachdrücklicher als bisher zu verdeutlichen, dass die Gesundheitskonferenz eine organisatorisch-institutionelle Plattform zur Konsensbeschaffung für Problembewertungen und allgemein akzeptierte Aufgabendurchführung bietet – vor allem auch für gesundheitsbezogene Aufgaben, die im Schnittstellenbereich von „kommunaler Gesundheit“ und anderen Politikfeldern liegen.