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DOI: 10.1055/s-2007-982789
Zur Geschichte der kommunalen Gesundheitsberichterstattung in Deutschland
Hintergrund: Die kommunale Gesundheitsberichterstattung hat eine lange, aber weitgehend vergessene Geschichte. Im Laufe dieser Geschichte hat sie mehrere markante Funktions- und Formwechsel durchlaufen, die auch für das Verständnis der modernen kommunalen Gesundheitsberichterstattung relevant sind. Der Vortrag stellt Befunde einer Recherche zur Geschichte der kommunalen Gesundheitsberichterstattung in Deutschland vor.
Ziel: Die Betrachtung der historischen Entwicklung soll dabei helfen, die Ausformung der gegenwärtigen Gesundheitsberichterstattung besser zu verstehen. Darüber hinaus soll versucht werden, zum Zusammenhang von Gesundheitsberichterstattung und kommunaler Gesundheitspolitik einige Lehren aus der Geschichte der Gesundheitsberichterstattung zu ziehen.
Methoden: Gesichtet wurden Materialien aus der regionalhistorischen Forschung über die Physikatsberichte in Bayern im 19. Jahrhundert sowie Rechtsgrundlagen und erläuternde Darstellungen über die Jahresgesundheitsberichte in der Weimarer Zeit, im Nationalsozialismus und der frühen Bundesrepublik.
Ergebnisse: Das Konzept der medizinischen Topographien, wie es etwa von Johann Peter Frank im 18. Jahrhundert propagiert und in Form von Physikatsberichten im 19. Jahrhundert umgesetzt wurde, stellte die Gesundheitsberichterstattung in den Kontext einer intervenierenden Sozialmedizin. Mit den Physikatsberichten liegen frühe Formen der kommunalen Gesundheitsberichterstattung vor, die eine dichte Beschreibung der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung liefern. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts ist eine zunehmende Formalisierung und inhaltliche Verarmung des kommunalen Berichtswesens zu beobachten, bis schließlich in der Nachkriegszeit die kommunale Gesundheitsberichterstattung zu weitgehend nutzlosen medizinalstatistischen Tabellenwerken verkümmerte.
Diskussion: Die Geschichte der Gesundheitsberichterstattung belegt die enge Verbindung zwischen der politischen Relevanz der Berichterstattung und der praktischen Gestaltungskraft des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Mit dem Verlust vieler Zuständigkeiten im Gesundheitsschutz und in der Gesundheitsversorgung war auch ein Bedeutungsverlust der Berichterstattung verbunden, u.a. weil in der Berichterstattung der Funktionswandel des ÖGD hin zu moderierenden und koordinierenden Funktionen lange Zeit nicht verstanden und nachvollzogen wurde.
Schlussfolgerungen: Die kommunale Gesundheitsberichterstattung wird nur in dem Maße aus der Tradition der alten Medizinalstatistik heraustreten können, in dem sie sich den heutigen Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes zuwendet und die dazu notwendigen Daten erschließt und in die gesundheitspolitische Diskussion einbringt.