Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007; 42(5): 341
DOI: 10.1055/s-2007-981688
Fachwissen: Anästhesiologie: Geburtshilfliche Anästhesie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Warum der Kreißsaal nicht Kreischsaal heißt

Hinnerk Wulf
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Publikationsdatum:
21. Mai 2007 (online)

Das Topthema „Geburtshilfliche Anästhesie” ist in der AINS-Märzausgabe auf große Resonanz gestoßen - nun findet es seine Fortsetzung im Thema Wehenschmerzlinderung. Thomas Standl aus Solingen hat Vor- und Nachteile der kombinierten Spinal-Epiduralanästhesie (CSE) aufgearbeitet. Sie ist technisch etwas aufwendiger als die konventionelle Epiduralanästhesie, bietet aber einen raschen und zuverlässigen Wirkungseintritt. Markus Schneider aus Basel beschreibt die Wege zur „Walking Epidural”. Er analysiert, welche Techniken (z.B. PCEA) und Medikamentenmischungen am besten geeignet sind.

Von ersten Erfahrungen zum Goldstandard Schmerzlinderung ist vornehmste ärztliche Aufgabe. Gerade in der Geburtshilfe sind unsere Methoden en vogue. Der Gynäkologe Walter Stoeckel hat vor nunmehr 100 Jahren während seiner Tätigkeit in Marburg erste Erfahrungen mit der Epiduralanalgesie zur Wehenschmerzlinderung gesammelt [1]. Stoeckel beschreibt 141 Fälle mit 80-prozentiger „Erfolgsrate”. Mittlerweile ist die Epiduralanästhesie zum Goldstandard in der Geburtshilfe geworden - nur, dass heutzutage der Anästhesist (und nicht mehr der Geburtshelfer) den Epiduralkatheter legt.

Hohe AufklärungsansprücheIn vielen Kliniken verläuft die Hälfte der vaginalen Geburten mittlerweile unter Epiduralanalgesie. Aber kann man Patientinnen unter Wehenschmerzen eigentlich rechtswirksam aufklären? Juristen haben die Frage klar beantwortet: Grundsätzlich sind auch Gebärende einverständnisfähig. Die Einverständnisfähigkeit ist eine „ärztliche Diagnose”. Im Zweifel sollte man diesen „Befund” schriftlich dokumentieren und ggf. auch die Indikationsstellung durch den Geburtshelfer festhalten. Sicher ist: An Ärzte werden deutlich höhere Aufklärungs-Anforderungen gestellt, als dies in anderen Lebensbereichen üblich ist (oder haben Sie bei Ihrem letzten Friseurbesuch ein entsprechendes Dokument unterschrieben)?

Epiduralanästhesie in der GeburtshilfeIn vielen Kliniken wird die Epiduralanästhesie außerhalb des Kreißsaals fast nur noch als thorakales Verfahren eingesetzt, während klassische lumbale Indikationen (z.B. in der Orthopädie) durch periphere Regionalanästhesieverfahren abgelöst wurden. Die geburtshilfliche Anästhesie ist vielerorts zum wesentlichen Anwendungsgebiet der lumbalen Epiduralanästhesie geworden. Frühere Forderungen, dass man z.B. erst 50 lumbale Epiduralanästhesien andernorts angewendet haben müsse, bevor man damit im Kreißsaal tätig werden dürfe, sind überholt. Umso wichtiger ist die fundierte Aus- und Weiterbildung in der geburtshilflichen Epiduralanalgesie geworden. Auch in diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Gewinn bei der Lektüre!

Literaturverzeichnis

  • 1 Stoeckel W. Über sakrale Anästhesie.  Zentralblatt für Gynäkologie. 1909;  33 1-15

Prof. Dr. med. Hinnerk Wulf

eMail: h.wulf@med.uni-marburg.de

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