Zusammenfassung
Hintergrund: In Deutschland verringerte sich die Zahl der Lebendgeborenen von 1 261 614 im Jahr
1960 um 46,7 % auf 672 675 im Jahr 2006. Die Ursachen sind vielschichtig. Uns interessierten
die Gründe für die Verzögerung von Geburten in Deutschland im Ost-West-Vergleich.
Methodik: Im Rahmen einer Kinderwunschstudie wurden in den Jahren 1998-2000 5 143 Wöchnerinnen
befragt. Dabei wurden auch Fragen zu den Gründen einer Verzögerung dieser Geburt gestellt.
Nur Wöchnerinnen und ihre Partner, die in Deutschland geboren wurden, kamen in die
Auswertung. Berliner Wöchnerinnen wurden aufgrund einer nicht möglichen präzisen Ost-West
Zuordnung ausgeschlossen. Somit reduzierte sich die Zahl der auswertbaren Fälle für
Ostdeutschland auf 2 010 und für Westdeutschland auf 2 193. Ergebnisse: Eine zeitliche Verzögerung dieser Schwangerschaft gaben 24,4 % der Wöchnerinnen aus
den neuen und 21,2 % aus den alten Bundesländern an. In der Beurteilung der Gründe
gab es deutliche Unterschiede im Ost-West-Vergleich. So stimmten 34 % der Wöchnerinnen
aus den neuen und nur 16 % aus den alten Bundesländern der Aussage zu, dass die eigene
unsichere Erwerbssituation der Grund für den Aufschub der Verwirklichung des Kinderwunsches
war. Schlussfolgerung: Diese Befragung zeigt zwar noch deutliche Unterschiede bei den Gründen für die Verzögerung
einer Geburt zwischen neuen und alten Bundesländern, aber es kommt auch hier insgesamt
zum Ausdruck, dass es unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen (die materiellen
eingeschlossen) keinen Anstieg der absoluten Geburtenzahlen geben wird, sondern eher
noch mit einer weiteren Abnahme zu rechnen ist. Die Folgen dieser Entwicklung stellen
die Gesellschaft vor bisher nicht bekannte Herausforderungen.
Abstract
Background: The number of live births in Germany has decreased by 46.7 % from 1 261 614 in 1960
to 672 675 in 2006. The causes for this are manifold. This study attempts to address
the possible causes for the delay of birth in Germany in an east-west comparison.
Method: Within the “Kinderwunschstudie” (survey of desired/intended fertility) 5 143 women
in childbed have been interviewed between 1998 and 2000. They were asked questions
concerning the delay of this particular birth. Only women and their spouses who were
born in Germany, respectively, were included into the analysis. Berlin women in childbed
were excluded from the analysis due to the problematic east-west classification. The
number of analysable cases finally added up to 2 020 cases in East Germany and 2 193
cases in West Germany. Results: 24.4 % of the interviewed women in the East admitted a delay of the last birth compared
to 21.2 % of those in the West. There are clear differences concerning the reasons
for this delay between the old (west) and the new (east) federal states. 34 % of the
east German women agreed that an insecure income situation was the reason for the
delayed realisation of the desired pregnancy / birth, whereas it was only 16 % in
the west. Conclusion: This survey (“Kinderwunschstudie”) in fact indicates differences regarding the reasons
for a delay of birth between east andwest German women (in childbed). However, it
also highlights the generally negative influence of the given social and economic
conditions on the number of births and underlines the prospects for an ongoing decrease.
As a result, society will in future have to face problems of unknown dimensions.
Schlüsselwörter
Wöchnerinnen-Studie - Gründe für eine spätere Realisierung des Kinderwunsches - Unterschiede
zwischen neuen und alten Bundesländern
Key words
women in childbed study - reasons for time lag of births - differences between eastern
and western states of Germany
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PD Dr. Dr. rer. med. M. Voigt
Abteilung Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Zentrum für Kinder- und
Jugendmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Soldtmannstraße 15
17487 Greifswald
eMail: manfred.voigt@kliniksued-rostock.de