Aktuelle Urol 2007; 38(6): 453-454
DOI: 10.1055/s-2007-980150
Editorial Comment
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Editorial Comment zu: Stepp H. et al.: Fluoreszenzdiagnostik und Photodynamische Therapie in der Urologie

Editorial Comment on Stepp H. et al.: Fluorescence Diagnosis and Photodynamic Therapy in UrologyDieter  Jocham1
  • 1Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. D. Jocham)
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Publication Date:
12 November 2007 (online)

Die Idee, Blasentumoren im Frühstadium oder in ihren endoskopisch schlecht erkennbaren Anteilen und in ihrer vollen Umfänglichkeit identifizieren zu wollen und zu können, ist nicht neu. Soweit für diese Identifizierung optische „Tumormarker” auf Porphyrinbasis zum Einsatz kamen, reicht die Historie dokumentiert bis 1975 zurück. Die Geschichte der Verwendung anderer „Tumor-Farbstoffe” datiert noch früher, erlangte allerdings - sieht man von der Verwendung von Hypericin ab - keine klinische Relevanz.

1978 und ab 1986 mit Bundesmitteln öffentlich gefördert, begannen die das internationale Geschehen dominierenden deutschen Forschungen, die nach frühem „proof of principle” erst mit Verfügbarkeit des Fluoreszenzmarkers Delta-Aminolävulinsäure (ALA) und des mittlerweile einzig im europäischen Verfahren zugelassenen Hexylesters dieser Substanz (Hexvix®) zur allgemeinen klinischen Anwendbarkeit führten. Die Vereinfachung und Erschwinglichkeit der für das Verfahren erforderlichen optischen Systeme haben das Ihre zum Gelingen beigetragen.

Mittlerweile zahlreich sind die Daten, die belegen, dass die photodynamische Diagnose (PDD) in Form der Fluoreszenzzystoskopie unter Einsatz der intravesikal instillierbaren ALA bzw. ihres Hexylesters die Detektion von Blasentumoren eindrucksvoll verbessert hat und diese insbesondere im Fall der Dysplasien und des Carcinoma in situ häufig erst ermöglicht. Unstrittig auch, dass eine PDD-geführte transurethrale Resektion die Residualtumorrate und - auf diesem Weg (?) - die Rezidivrate gegenüber einem Eingriff unter konventionellem Weißlicht senkt. Der Übersichtsartikel von H. Stepp und R. Waidelich in dieser Ausgabe beschreibt dies und sonstige interessante Gesichtspunkte der urologischen Photodynamik ausführlich.

Der durch die PDD erreichte statistische Vorteil bei der Tumordiagnose lässt sich - so das Ergebnis der einen Phase-III-Studie mit Langzeit-Follow-up - auch über Jahre hinaus aus den Kaplan-Meier-Kurven gegenüber der „Weißlicht-Gruppe” dokumentieren. Selbst eine Einflussnahme auf die Entscheidung bezüglich der Behandlungsstrategie durch die umfassende diagnostische Information nach PDD war in einer weiteren Phase-III-Studie als statistisch relevant belegbar.

Man mag meinen, dies alles sollte genügen, das Verfahren als neuen klinischen Standard der endoskopischen Blasentumordiagnostik zu etablieren. In der Tat hat die Datenlage sowohl die Europäische Gesellschaft für Urologie zur Formulierung einer das Verfahren empfehlenden Leitlinie und die gestrenge europäische Zulassungsbehörde EMEA zur Zulassung von Hexvix® veranlasst. Entsprechende Aktivitäten in den USA und Kanada sind auf dem Weg. Erfreulich auch, dass der sog. NUB-Ausschuss einem Antrag von 124 deutschen Kliniken aus dem letzten Jahr auf Vergütung der PDD im stationären Bereich mit einer Priorisierung des Hexvix® in Kategorie 1 gefolgt ist.

Bei so viel Licht kein Schatten? Dies wäre illusionär! Die PDD beinhaltet per se einige Aspekte, die Anlass zur Diskussion geben, wie die Bedeutung sog. falsch positiver Befunde, insbesondere nach vorausgegangenen Therapien wie TURB, Biopsie oder Instillation von Chemotherapeutika bzw. BCG oder im Fall einer Entzündung. Diese Diskussion relativiert sich, wenn zum einen bestimmte Randbedingungen berücksichtigt werden und zum anderen im Bewusstsein bleibt, dass nicht die PDD selbst die Therapie veranlasst, sondern die Histologie aus dem fluoreszierenden Areal. Die Abhängigkeit der Qualität der Diagnostik vom technischen Equipment darf ebenfalls nicht unterschätzt werden. Kalibrierung und Qualitätssicherung des Systems lauten hier die Lösungsworte.

Damit aber nicht genug! Strenger als bei der in der Vergangenheit erfolgten Evaluation radiologischer Verfahren wie Infusionsurogramm oder CT werden an die heutigen Diagnostika Maßstäbe auch dahingehend angelegt, welchen Einfluss das Verfahren per se oder im Zusammenwirken mit der/den Therapie(n) auf das Patientenschicksal hat. Diese Betrachtungsweise - mag sie nun gerechtfertigt sein oder nicht - ist real existent. An diesem Punkt könnte sich denn auch die Diskussion entzünden, falls solide Daten aufzeigen sollten, dass eine sehr effiziente Therapie erhöhte Tumordetektionsraten durch die PDD vorrangig im Bereich der Problemtumoren (CIS) dadurch kompensiert, dass sie nicht diagnostisch erkannte Areale gleichermaßen eradiziert wie die identifizierten Herde. Studienergebnisse entsprechend diesem Sachverhalt sind wohl gegeben, auch wenn eine abschließende Publikation, die die Qualität der Studie(n) kritisch bewerten lässt, aussteht. Besonders kritisch zu hinterfragen wäre dabei, um welchen Preis, um welches Maß an „overtreatment” eine solche therapiegestützte Alternative erkauft würde. Der „Preis” beinhaltet dabei sowohl die ökonomischen Aspekte als auch die Belastung des Patienten infolge der Therapie sowie im Follow-up - erkannte, andiskutierte, aber noch nicht hinreichend zu beantwortende Fragen!

Ein ökonomischer Vorteil für die PDD lässt sich rechnerisch belegen, vorausgesetzt die PDD wird nicht nur als Ergänzung des bisherigen Standards verstanden, sondern führt risikoprofilorientiert und unter Bezug auf die PDD-Ergebnisse zu einem Wandel bei der Tumornachsorge. Dieser Bereich berührt ganz wesentlich die ambulante Versorgung. Sie ist einer besonders kritischen Beobachtung der Kostenträger ausgesetzt vor dem Hintergrund der Sorge bezüglich einer nicht gerechtfertigten Mengenausweitung, eine Diskussion, die auch die Klinik kennt. Dies sollte als Herausforderung für die Urologie insgesamt verstanden werden, geeignete Konzepte zu entwickeln, die die große Chance bieten, sowohl den Patienten als auch das System zu entlasten. Die Kostenträger jedenfalls wissen darum, dass das Harnblasenkarzinom die kostenintensivste onkologische Erkrankung ist und werden sich dem gezielten Einsatz auch der ambulanten PDD in Erwartung einer Verbesserung des Krankheitsmanagements kaum verschließen.

Die PDD ist volljährig geworden und sieht sich auf dem Weg zum Diplom, wie zu erwarten, mit weiteren Prüfungen konfrontiert. Die vorgetragene Skepsis sollte für die eigene Bewertung bewusst sein. Hierfür ist eine Literaturübersicht gerade dieser Aspekte mit ihren Bezugsquellen angefügt. Die insgesamt solide Datenlage vermag dieser Skepsis gut zu begegnen. Die mittlerweile etablierte Professionalisierung auch hinsichtlich der Beantwortung zulassungs- und erstattungsrelevanter Fragen sollte hilfreich sein bei der endgültigen Etablierung der photodynamischen Diagnose des Blasenkarzinoms.

Weitere photodynamische Verfahren für die Urologie stecken in den Kinderschuhen und bieten spannende Aspekte.

Viel Vergnügen beim Lesen des Übersichtsartikels zum Thema wünscht Ihnen

D. Jocham

Literatur

  • 1 Grimbergen M C, Swol C F van, Jonges T G, Boon T A, Moorselaar R J van. Reduced specificity of ALA induced fluorescence in photodynamic diagnosis of transitional cell carcinoma after previous intravesical therapy.  Eur.Urol.. 2003;  44 51-56
  • 2 Jain S, Kockelbergh R C. The role of photodynamic diagnosis in the contemporary management of superficial bladder cancer.  BJU.Int.. 2005;  96 17-21
  • 3 Vogeli T A. The management of superficial transitional cell carcinoma of the bladder: a critical assessment of contemporary concepts and future perspectives.  BJU.Int.. 2005;  96 1171-1176
  • 4 Devere White RW. Transurethral resection of superficial bladder cancer using 5-aminolevulinic acid: are there any long-term benefits?.  Nat.Clin.Pract.Urol.. 2006;  3 254-255
  • 5 Chatterton K, Ray E, O’Brien T S. Fluorescence diagnosis of bladder cancer.  Br. J.Nurs.. 2006;  15 595-597
  • 6 Frampton J E, Plosker G L. Hexyl aminolevulinate in the detection of bladder cancer: profile report.  BioDrugs.. 2006;  20 317-320
  • 7 Jichlinski P. Photodynamic applications in superficial bladder cancer: facts and hopes!.  J.Environ.Pathol.Toxicol.Oncol.. 2006;  25 441-451
  • 8 Frampton J E, Plosker G L. Hexyl aminolevulinate: in the detection of bladder cancer.  Drugs.. 2006;  66 571-578

Prof. Dr. med. Dieter Jocham

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