OP-Journal 2002; 18(3): 208-217
DOI: 10.1055/s-2007-977598
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schulterluxationen, Indikation zur operativen Versorgung

Jens Richter, Andreas Dàvid
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Publication Date:
12 April 2007 (online)

Zusammenfassung

Mehr als 95 % der Schulterluxationen erfolgen nach ventral. Das Verletzungsmuster ist unterschiedlich, ein Labrumabriss zählt in mehr als 85 % dazu. Entscheidender sind die Prognose einer Rezidivluxation ist jedoch der zusätzliche Abriss des Lig. glenohumerale inferius und das Patientenalter. Ein Hill-Sachs-Defekt gewinnt erst ab einem Anteil von 30 % an der Humeruskopfzirkumferenz an Bedeutung. Die Indikation zur sofortigen Operation ist die verhakte, nicht geschlossen zu reponierende Verrenkung (zumeist nach dorsal). Frühzeitig sollten relevante Pfannenrandfrakturen sowie Labrum-Kapselabrisse bei jungen Patienten unter 26 Jahren und schulteraktiven Sportlern fixiert werden. Während noch vor wenigen Jahren diese vorderen Schulterluxationen geschlossen reponiert und unabhängig vom Alter sowie vom Leistungsprofil des Patienten früh-funktionell nachbehandelt wurden, setzt mit Entwicklung arthroskopischer minimal invasiver Techniken ein Umdenken zur Differenzierung ein. Vor einem allgemeinen Einsatz der Schulterarthroskopie nach vorderer Luxation sollte gewarnt werden, da es sich letztendlich um einen operativen Eingriff mit möglichen Nebenwirkungen handelt. Für den modernen Behandlungsalgorithmus ist zunächst eine strenge Trennung zwischen traumatischen und atraumatischen Erstluxationen anzustreben. Während die erste Gruppe nach dem TUBS-Schema (traumatisch-unilateral-Bankartläsion-surgery) von einer arthroskopischen Technik deutlich profitieren kann, gilt für die zweite Gruppe Zurückhaltung entsprechend dem sog. AMBRII-Schema (atraumatisch-multidirektional-bilateral-Rehabilitation vor inferiorem Kapselshift und Intervallverschluss). Anatomische artikularseitige Rekonstruktionen mit einer Refixation des Limbus-Kapselkomplexes nach Bankart werden heute als Standard bevorzugt, auch bei Rezidiven. Extraartikuläre Eingriffe sind individuellen Indikationen vorbehalten. Arthroskopische Verfahren erfordern ein aufwändiges und genau auf die Fixationstechnik abgestimmtes Equipment. Mit differenzierter Indikationsstellung, Patientenselektion und zunehmender Lernkurve gelingt es in aktuellen Studien die Erfolgsrate dem des offenen Bankartrepair anzunähern.

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