Zusammenfassung
Golden-Standardversorgung extraarti-kulärer und kombiniert intra- und extraartikulärer
distaler Femurfrakturen ist die Kondylenplattenosteosynthese (CP), ein Verfahren,
das im Vergleich zu intramedullären Retentionsverfahren nachweislich mit einer hohen
Komplikationsrate einhergeht. Ein neu entwickelter intramedullärer Kraftträger zur
Retention von supra- und supradiakondylären Femurfrakturen, der distale Femurnagel
(DFN), wird vorgestellt. Es handelt sich um einen soliden unaufgebohrten Verriegelungsnagel
aus Titan, der retrograd über die interkondyläre Notch implantiert wird und zwei distale
Verriegelungsoptionen (zwei 6,0-mm-Verriegelungsschrauben oder eine 6,0-mm-Verriegelungsschraube
und Spiralklinge) besitzt. Eigene vorab durchgeführte vergleichende biomechanische
Testungen (DFN versus CP) zeigten für die axiale Hauptbeanspruchung eine überlegene
Steifigkeit und Festigkeit des DFN gegenüber der Kondylenplatte und für osteoporotische
Frakturen signifikante Stabilitätsvorteile der Spiralklingenverriegelung gegenüber
der Schraubenverriegelung-Methodik: Die klinischen Ergebnisse nach Osteosynthese distaler
Femurfrakturen mit dem DFN wurden bei 73 Patienten mit 74 Frakturen (suprakondylären
[AO-Klassifikation 33.A-Frakturen], supradiakondylären [33.C-Frakturen] und Femurschaftfrakturen
[32.X-Frakturen]) im Rahmen einer Multizenterstudie prospektiv erfaßt. Ergebnisse:
Implantation des Nagels und geschlossene Reposition der suprakondylären Fraktur sowie
distale Verriegelung mittels Zielbügel wurden von den Operateuren überwiegend als
leicht (91 %) eingestuft. Bei der Nachuntersuchung, die im Mittel nach 6 Monaten erfolgte,
konnten 3 von 4 Patienten ihr Bein voll belasten und frei bewegen, wohingegen nur
3 % der Patienten über ständige Schmerzen klagten und nicht in der Lage waren, ihr
Bein zu belasten. 5 % wiesen ein Streckdefizit von mehr als 10 Grad, 8 % eine relevante
Beinverkürzung von mehr als 15 mm und 15 % eine relevante Varus-/Valgus oder Rekurvationsfehlstellung
der Femurschaftachse auf, bei 8 % der Osteosynthesen kam es zu einem Auslockern der
Verriegelungsschraube oder Spiralklinge. Alle Frakturen waren zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
konsolidiert. Eine primäre oder sekundäre Spongiosaplastik war in keinem Fall notwendig
geworden, eine Pseudarthrose wurde nicht gesehen. Je einmal wurde ein Osteosyntheseversagen,
einmal ein Infekt und ein Nagelbruch beobachtet. Das Behandlungsergebnis wurde von
den Patienten rein subjektiv in 87 % als sehr gut und gut und in 13 % als befriedigend
eingestuft. In der abschließenden Gesamtbeurteilung der verantwortlichen Operateure
wurde der Verlauf in 84 % als sehr gut und gut und in 17 % als befriedigend eingeschätzt.
Schlussfolgerung: Geschlossene Reposition und Retention von suprakondylären und supradiakondylären
Femurfrakturen sind in der beschriebenen Technik minimal invasiv und technisch einfach
zu bewerkstelligen. Der DFN ist für die Versorgung extraartikulärer und kombiniert
intra- und extraartikulärer distaler Femurfrakturen ein geeignetes, sicheres und empfehlenswertes
Implantat. Die Kombination größere Oberfläche der Spiralklinge mit daraus resultierender
günstigerer Verteilung der auf den weichen metaphysären Knochen axial eingeleiteten
Last und winkelstabile Verankerung lassen vor allem beim osteoporotischen Knochen
und/oder hochgradig instabilen Frakturen bei der Spiralklingenverriegelung einen günstigen
Einfluss auf das bei der Anwendung anderer distaler Nageltechniken beobachtete Problem
der Bolzenlockerung, Bolzen- und Nagelprotrusion erwarten.