Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P334
DOI: 10.1055/s-2007-976462

Spinaler Motoneuronverlust in Multipler Sklerose

F Paul 1, O Aktas 1, J Vogt 1, K Müller-Wielsch 1, C Schmitz 1, CS Raine 1, R Nitsch 1, F Zipp 1
  • 1Berlin; Maastricht, NL; New York, US

Fragestellung: Kommt es bei der Multiplen Sklerose (MS) zu einem Untergang spinaler Motoneurone, und wenn ja, in welchem Ausmaß?

Hintergrund: Nachdem die MS lange Zeit als ausschließlich oder überwiegend entzündliche und demyelinisierende Erkrankung des ZNS angesehen wurde, sind möglicher Axonverlust und Neurodegeneration infolge der Neuroinflammation oder unabhängig hiervon in jüngerer Zeit zunehmend in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gerückt, da diese Pathologien möglicherweise besser mit der längerfristigen Behinderung der Patienten korrelieren als die Zahl der Schübe oder die T2-Läsionslast in der MRT.

Methoden: Mittels stereologischer Auswertung wurde die absolute Zahl spinaler Motoneurone im thorakalen und lumbalen Rückenmark bei 9 MS-Patienten und 9 alters- und geschlechtsgematchten gesunden Kontrollen verglichen. Bei 69 MS-Patienten (EDSS >2,5) und 75 gesunden Kontrollpersonen wurden elektroneurographische Untersuchungen durchgeführt (N. peronaeus, N. tibialis, N. suralis, N. medianus, N. ulnaris, N. radialis).

Ergebnisse: Eine signifikante Reduktion der Gesamtzahl spinaler Motoneurone (74±11%) konnte bei den MS-Patienten im Vergleich zu den Kontrollpersonen nachgewiesen werden, dies traf auch auf drei neuronale Subpopulationen zu (alpha- und gamma-Motoneurone, Interneurone). In den elektroneurographischen Untersuchungen fanden sich signifikant niedrigere Amplituden (bis zu 30%) der Muskelsummenaktionspotentiale des N. peronaeus, N. tibialis, N. medianus und N. ulnaris bei den MS-Patienten. Hingegen unterschieden sich weder die motorischen und sensiblen Nervenleitgeschwindigkeiten noch die Amplituden der sensiblen Nervenaktionspotentiale in den beiden Gruppen signifikant voneinander.

Schlussfolgerung: Unsere stereologischen und elektrophysiologischen Daten zeigen, dass es bei der MS zu einer hochgradigen Reduktion der Zahl spinaler Motoneurone kommt. Neurodegeneration und Axonverlust sind wesentliche Charakteristika der MS-Pathologie.