Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P282
DOI: 10.1055/s-2007-976410

Beeinträchtigung des Impliziten Lernens in atypischen Parkinson Syndromen (MSA, PSP): Abgrenzung vom IPD mittels klassischer Blinkreflexkonditionierung und SRTT

F von Lewinski 1, M Schwan 1, W Paulus 1, C Trenkwalder 1, M Sommer 1
  • 1Göttingen, München

Fragestellung: Mittels klassischer Blinkreflexkonditionierung kann die Fähigkeit zu Implizitem Lernen untersucht werden. Der serielle „reaction time task“ (SRTT) kann darüber hinaus auch Explizites Lernen erfassen. Bisher konnten wir zeigen, dass Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom (IPD) keine Auffälligkeiten im Impliziten Lernen zeigen (1,2), während solche mit progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) schwere Defizite aufweisen (3). Das Explizite Lernen war in beiden Gruppen nur leicht beeinträchtigt. Fragestellung der jetzigen Studie war, ob eine Beeinträchtigung des Impliziten Lernens auch bei dem atypischen Parkinson Syndrom der Multisystematrophie (MSA) vorliegt.

Methoden: 9 MSA Patienten (3 MSA-C, 6 MSA-P) wurden mit klassischer Blinkreflexkonditionierung in 2 Paradigmen (Interstimulusintervall 0 und 600ms) und SRTT untersucht. Die Ergebnisse wurden verglichen mit gleichaltrigen Kontroll-Probanden sowie den IPD und PSP Patienten der bereits veröffentlichten Studien (1,3).

Ergebnisse: In beiden Paradigmen der Blinkreflexkonditionierung zeigten MSA Patienten eine deutliche Beeinträchtigung des Impliziten Lernens (<18% konditionierte Antworten) im Gegensatz zu gesunden Probanden und IPD Patienten (>52% konditionierte Antworten). Das geringe Ausmaß des Lerneffekts war ähnlich den früher untersuchten PSP Patienten. Im SRTT waren die Parameter des Impliziten Lernens (Fehlerrate, Reaktionszeit) bei MSA Patienten ebenfalls deutlich schlechter als bei den Kontrollen oder IPD Patienten. Das Sequenzerinnerungsvermögen im SRTT als Parameter des Expliziten Lernens war in allen 4 Gruppen kaum beeinträchtigt.

Schlussfolgerungen: Bei MSA Patienten findet sich wie bei der PSP ein dissoziiertes Muster mit stark gestörtem Impliziten Lernen und kaum beeinträchtigtem Expliziten Lernen. Die klassische Blinkreflexkonditionierung kann daher möglicherweise zur Abgrenzung atypischer Parkinson-Syndrome vom IPD beitragen. Als anatomisches Korrelat für die Störung des Impliziten Lernens vermuten wir eine Läsion tiefer zerebellärer Strukturen.

Literatur:

(1) Sommer M et al. J Neurol Neurosurg Psychiatry 1999;67(1):27–34.

(2) Daum I et al. Mov Disord 1996; 11:639–646.

(3) Sommer M et al. Mov Disord 2001;16(2):240–251.