Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P269
DOI: 10.1055/s-2007-976397

Ein mathematisches Modell vertikaler Augenbewegungen zur Simulation von Downbeat-Nystagmus

S Glasauer 1, S Marti 1, U Nuding 1, D Straumann 1, U Büttner 1
  • 1München; Zürich, CH

Fragestellung: Downbeat-Nystagmus (DBN) ist eine häufige Okulomotorikstörung in Patienten mit Kleinhirnatrophie. DBN äußert sich durch langsame, blickpositionsabhängige Abwärtsdrift der Augen sowie eine asymmetrische Störung der vertikalen langsamen Augenfolgebewegung. Bei ungefähr 50% aller DBN-Patienten ist die Pathogenese jedoch ungeklärt. In der Literatur existieren mehrere Hypothesen zur Entstehung von DBN, von denen allerdings keine alle assoziierten Symptome schlüssig erklären kann. Aus tierexperimentellen Untersuchungen ist bekannt, dass Purkinjezellen im zerebellären Flokkulus/Paraflokkulus ihre Aktivität nur bei vertikalen abwärtsgerichteten visuell induzierten Augenbewegungen erhöhen. Purkinjezellen mit einer Aktivitätszunahme bei Aufwärtsbewegungen wurden bisher nicht gefunden. Wir vermuten daher, dass der Ursprung von DBN eine Schädigung dieser Purkinjezellpopulationen oder ihrer Eingänge ist.

Methoden: Um unsere Hypothese zu untermauern, haben wir, ausgehend von anatomischen und physiologischen Ergebnissen, ein detailliertes mathematisches Modell der vertikalen Augenbewegungen entworfen. Das Modell ist durch Differentialgleichungen definiert, die die Funktion einzelner Gehirnregionen sowie Eigenschaften der Sensorik und Motorik modellieren. Es kann Sakkaden, vestibulo-okulären Reflex (VOR), sowie langsame Augenfolgebewegung simulieren, und wurde in Simulink/Matlab implementiert.

Ergebnisse: Das Modell bildet die vertikalen Augenbewegungen gesunder Probanden nach. Bei einer simulierten Läsion der Purkinjezellpopulation des Flokkulus entsteht DBN. Zugleich zeigt sich, dass die Stärke des Nystagmus abhängig von Blickrichtung und Kopfposition ist, und die langsame Augenfolgebewegung, besonders für Abwärtsbewegung, gestört ist. Weitere Defizite ergeben sich bei der Suppression des vertikalen VOR, während der VOR im Dunklen normale Werte zeigt.

Schlussfolgerungen: Die Modellsimulationen bestätigen unsere Hypothese, dass ein Grund für die Entstehung von DBN eine Schädigung flokkulärer Purkinjezellen sein kann. Es zeigt sich weiter, dass Unterformen von DBN (z.B. ohne Blickrichtungsabhängigkeit) durch Unterschiede im Läsionort (thalamo-kortikale vs. Hirnstamm-Projektionen) erklärt werden können. Bisherige Hypothesen, wie die der Schädigung rein vestibulärer Bahnen, ließen sich nicht aufrechterhalten. Die Methode der mathematischen Simulation sensomotorischer Systeme stellte sich als geeignet heraus, um unsere Hypothese auf überprüfbare Weise zu formulieren.