Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P262
DOI: 10.1055/s-2007-976390

Intralabyrinthäres Schwannom mit selektiver Schädigung der niederfrequenten Anteile des vestibulo-okulären Reflexes

B Machner 1, S Gottschalk 1, T Sander 1, H Rambold 1, C Helmchen 1
  • 1Lübeck

Ein peripher vestibuläres Defizit lässt sich einerseits durch eine einseitige Untererregbarkeit in der kalorischen Prüfung, andererseits durch einen pathologischen Kopf-Impuls-Test (Halmagyi-Curthoys) nachweisen. Letzterer untersucht die hochfrequenten Anteile des vestibulo-okulären Reflexes (hf-VOR), während die kalorische Prüfung die niederfrequenten Anteile stimuliert (lf-VOR). Der physiologisch bedeutsamere hf-VOR bleibt nach einseitigen peripher vestibulären Läsionen (z.B. Neuritis vestibularis) länger beeinträchtigt und ist damit der sensitivere Parameter für den Nachweis eines peripher vestibulären Defizits. Mit einer Kasuistik zeigen wir das inverse Läsionsmuster, eine selektive Schädigung der niederfrequenten VOR-Anteile bei erhaltenem hf-VOR.

Ein 47-jähriger Patient mit einem intralabyrinthären Schwannom klagte seit drei Jahren unter rezidivierenden Drehschwindelattacken. Im ersten Jahr der Erkrankung erlitt er einen Hörsturz. Seitdem bestehen ein Tinnitus auf dem rechten Ohr sowie eine Schwerhörigkeit rechts. Darüberhinaus war der neurologische Befund unauffällig.

In wiederholten Messungen zeigte sich eine persistierende Untererregbarkeit des rechten Labyrinthes (43–61% Seitenunterschied). Search-Coil-Aufnahmen während schneller passiver Kopf-Impulse zeigten einen intakten VOR zu beiden Seiten. Die Tonaudiometrie zeigte eine pantonale Innenohrschwerhörigkeit um 60 dB. Click-evozierte Potentiale sowie die subjektive visuelle Vertikale lagen im Normbereich.

Hochauflösende kranielle MR-Aufnahmen zeigten eine Kontrastmittel-aufnehmende Struktur im rechten Vestibulum labyrinthii. In der T2-Wichtung zeigte diese Läsion eine reduzierte Signalintensität und war damit hinweisend für ein intralabyrinthäres Schwannom. Der kleine Tumor erstreckte sich vom rechten Vestibulum auf einen Anteil des horizontalen Bogengangs sowie wahrscheinlich auf proximale Anteile der Cochlea. Die knöchernen Strukuren waren hingegen nicht betroffen (Feinschicht-CCT).

Die Ergebnisse sprechen für eine ungewöhnliche selektive Beeinträchtigung der lf-VOR unter Aussparung der hf-VOR.

Schlussfolgerung: (1) Ein normaler Kopf-Impulstest (gemessen mit dem Search-Coil-System) schließt eine chronische peripher-vestibuläre Läsion nicht aus. (2) Die niederfrequenten und hochfrequenten Anteile innerhalb der vestibulären Afferenzen verlaufen entweder anatomisch getrennt oder weisen eine unterschiedliche Vulnerabilität auf.