Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P258
DOI: 10.1055/s-2007-976386

Audio-motorische Integration und musikunterstütztes Training motorischer Funktionen nach Schlaganfall – Einsatz in der neurologischen Rehabilitation

S Schneider 1, PW Schönle 1, TF Münte 1, E Altenmüller 1
  • 1Hannover, Konstanz, Magdeburg

Fragestellung: Ausgehend von neuen wissenschaftlichen Befunden, dass es beim Klavierspiel nach wenigen Übungsstunden zu einer parallelen Aktivierung von auditiv-sensorischen und motorischen neuralen Netzwerken kommt, wurde überprüft, ob derartige rasche plastische Prozesse für die Rehabilitation motorischer Funktionen nach Schlaganfall genutzt werden können.

Methoden: Es wurde ein Trainingsprogramm, dass über das Medium Musik eine sensomotorische Kopplung erzeugt, entwickelt und evaluiert. Bei 32 Patienten ohne wesentliche musikalische Vorerfahrung wurden beginnend mit der paretischen Extremität hin zum Zusammenspiel von paretischer und gesunder in 15 Einzeltrainings über 3 Wochen sowohl fein- als auch grobmotorische Aspekte gefördert. Zwei Eingabemedien (MIDI-Klavier, programmierbare „Drum-Pads“) kamen zum Einsatz. 30 weitere Patienten, die lediglich Standardtherapien erhielten, bildeten die Kontrollgruppe I. Zusätzlich wurden der Gruppe mit musikunterstütztem Training 15 Patienten gegenübergestellt, die in gleichem Maße ein motorisches Training nach dem Taubschen Konzept erhielten. Die Prä- und Postdiagnostik der motorischen Funktionen erfolgte mit einer 3D-Bewegungsanalyse zur Quantifizierung der Präzision der Bewegungen sowie mit ergotherapeutischen Testverfahren (u.a. Box & Block Test). Darüber hinaus wurden im Verlauf des Trainings elektrophysiologische Parameter mittels Elektroenzephalogramm (EEG) erhoben. Hierbei wurden die ereigniskorrelierte Desynchronisation/Synchronisation als Maß für intrakortikale Exzitabilität bei willkürlichen Fingerbewegungen und ballistischen Armbewegungen sowie ereigniskorrelierte Kohärenzen berechnet.

Ergebnisse: Die Patienten mit musikunterstütztem Training schnitten hinsichtlich sämtlicher Parameter (Bewegungsspielraum, Geschwindigkeit und Qualität der Bewegungen jeweils auf fein- und grobmotorischer Ebene) gegenüber der Kontrollgruppe I deutlich besser ab und ebenso deutlich gegenüber der Gruppe mit motorischem Training nach Taub in allen feinmotorischen Fertigkeiten. Die Auswertung der EEG-Daten ergab Hinweise auf effiziente Reorganisation in der Gruppe mit musikunterstütztem Training, die sich u.a. in einer stärkeren Desynchronisation und damit erhöhten kortikalen Erregbarkeit bei der Bewegungsvorbereitung v.a. in der Drum-Pad-Bedingung zeigte.

Schlussfolgerung: Das musikunterstützte Training erscheint nach den bisherigen Daten eine vielversprechende Alternative zu anderen neuen Rehabilitationstechniken darzustellen.