Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P257
DOI: 10.1055/s-2007-976385

Abnorme Modulation intrakortikaler Inhibition in der Bewegungsvorbereitung bei chronischen Schlaganfallpatienten

B Steven 1, J Hoppe 1, K Heise 1, LG Cohen 1, C Gerloff 1, F Hummel 1
  • 1Hamburg; Bethesda, US

Hintergrund: Nach einem Schlaganfall zeigt der Großteil der Patienten (SP) eine unvollständige funktionelle Erholung mit dauerhaften motorischen Defiziten, die die Aktivitäten des täglichen Lebens einschränken. Ein hypothetischer Mechanismus, der zu persistierenden motorischen Defiziten nach Schlaganfall beitragen könnte, ist eine abnorme Modulation intrakortikaler Inhibition (ICI) im primären motorischen Kortex (M1) der geschädigten Hemisphäre. Diese Hypothese wurde in der vorliegenden Studie getestet. Bei Gesunden wird in der Vorbereitung einer Bewegung der M1 kurz vor Bewegungsbeginn disinhibiert um eine adäquate Bewegungsausführung zu gewährleisten. Bislang ist nicht bekannt, wie sich die Erregbarkeit des M1 während der Vorbereitung einer Bewegung bei SP verändert. Das Ziel dieser Studie war es, die kortikale Erregbarkeit von M1 vor einer Bewegung bei chronischen SP mithilfe transkranieller Magnetstimulation (TMS) zu evaluieren.

Methoden: 14 chronische SP (subkortikal, 63,8±- 3,0 a) und 14 altersentsprechende Kontrollpersonen (KP, 63,9±2,7 a) nahmen an dieser Studie teil. Die Versuchspersonen führten eine Reaktionszeitaufgabe aus bei der eine schnelle Abduktionsbewegung des Zeigefingers der (paretischen) Hand gefordert war. Während der Vorbereitung dieser Fingerbewegung wurde zu vier verschiedenen Zeitpunkten ICI in der geschädigten Hemisphäre mittels TMS evaluiert (Doppelpulsparadigma, ISI=3ms, CS Intensität=80% MT, TS Intensität adaptiert für ein MEP von ˜1mV).

Ergebnisse: Im Vergleich zu den KP zeigte sich bei den SP ein abnormes Muster kortikaler Erregbarkeit während der Bewegungsvorbereitung mit persistierender ICI kurz vor Bewegungsbeginn (p<0,05). Diese abnorm persistierende Inhibition war assoziiert mit eingeschränkter motorischer Funktion der paretischen Hand evaluiert mittels des Fugl-Meyer-Tests und der MRC Skala (R2=0,56 bzw. R2=0,4).

Schlussfolgerungen: Bei chronischen SP besteht in der geschädigten Hemisphere eine abnorme Modulation intrakortikaler Inhibition während der Vorbereitung einer Bewegung der paretischen Hand. Das Fehlen der Disinhibition kurz vor Bewegungsbeginn könnte auf eine veränderte Funktion der intrakortikalen inhibitorischen (GABA A-ergen) Interneurone des geschädigten M1 hinweisen. Es ist denkbar, dass dies ein pathophysiologischer Mechanismus ist, der eine weitere funktionelle Erholung behindert und somit ein Ziel für innovative therapeutische Ansätze sein könnte.