Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P256
DOI: 10.1055/s-2007-976384

Behaviorale Konsequenzen plastischer Veränderungen im sensomotorischen Kortex bei Geigenspielern

P Schwenkreis 1, S El Tom 1, P Ragert 1, B Pleger 1, M Tegenthoff 1, HR Dinse 1
  • 1Bochum

Professionelle Musiker eignen sich in besonderer Weise dazu, trainingsinduzierte Plastizität in verschiedenen Hirnarealen zu untersuchen. So konnte bei Geigenspielern eine vergrößerte Repräsentation der linken Hand im primären somatosensiblen Kortex (S1) nachgewiesen werden. Ziel dieser Untersuchung war es nun, begleitende plastische Veränderungen im primären motorischen Kortex (M1) sowie ihre korrespondierenden Auswirkungen auf Verhaltensebene zu erfassen.

Untersucht wurden 15 gesunde Geigenspieler, sowie 35 gesunde Nichtmusiker (alle Rechtshänder). Zur Erfassung plastischer Veränderungen in S1 wurde ein SEP-Mapping bei Stimulation des N.ulnaris sowie des N.medianus am Handgelenk durchgeführt, und die Dipolquelle für die jeweilige N20-SEP-Komponente bestimmt. Als Maß für die Ausdehnung des Handareales diente die Euklidsche Distanz zwischen dem N20-Dipol nach Ulnaris- bzw. nach Medianusstimulation. Veränderungen in M1 wurden mittels TMS-Mapping des M. interosseus dorsalis I (FDI) erfasst. Effekte auf Verhaltensebene wurden mithilfe der Motorischen Leistungsserie (MLS, Wiener Testsystem) untersucht.

Bei den Geigenspielern fand sich eine signifikante Interhemisphärenasymmetrie der Euklidschen Distanz zwischen den Dipolen (rechte Hand 5,7±1,9mm, linke Hand 8,8±3,4mm, p<0,05), wohingegen bei den Nichtmusikern keine signifikante Seitendifferenz nachzuweisen war (rechts 6,2±2,9mm, links 6,4±3,5mm). In ähnlicher Weise fand sich bei den Geigenspielern eine signifikante Asymmetrie des motorischen Maps bei Ableitung vom FDI (Area rechte Hand 12,1±3,3cm2, linke Hand 16,7±3,7cm2, p<0,05), welche bei den Nichtmusikern nicht vorhanden war (14,1±4,6cm2 links, 14,8±4,4cm2 rechts). Die Asymmetrie im SEP-Mapping korrelierte dabei mit der Asymmetrie im motorischen Mapping. Umgekehrt war die Rechts-Links-Differenz in der MLS bei den Nichtmusikern deutlich ausgeprägter als bei den Geigenspielern, die lediglich beim Tapping eine signifikante Seitendifferenz zugunsten der rechten Hand aufwiesen.

Wir schließen daraus, dass das Training bei Geigenspielern zu einer Vergrößerung der Repräsentation der linken Hand mit deutlicher Hemisphärenasymmetrie in S1 und M1 führt, wobei die Daten für eine enge Verknüpfung der Veränderungen in beiden Arealen sprechen. Auf Verhaltensebene führen diese Veränderungen hingegen zu verbesserten motorischen Fertigkeiten der linken Hand mit nahezu vollständiger Aufhebung der Rechts-Links-Differenz bei den eigentlich rechtshändigen Probanden.