Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P242
DOI: 10.1055/s-2007-976370

Axonale Neuropathie und Auffälligkeiten der mitochondrialen tRNA bei einem Patienten mit benigner symmetrischer Lipomatose

HJ Gdynia 1, AD Sperfeld 1, U Knirsch 1, V Homberg 1, A Rosenbohm 1, J Müller-Höcker 1, CO Hanemann 1
  • 1Ulm; Basel, CH; Berlin, München; Plymouth, UK

Die benigne symmetrische Lipomatose ist durch die Entwicklung von subkutanen Lipomen überwiegend im Bereich des Nackens und der Schultern gekennzeichnet. Vererbung wird in ca. 13% angenommen, die sporadischen Erkrankungen sind häufig mit chronischem Alkoholismus assoziiert. Im Rahmen der benignen symmetrischen Lipomatose wurden bereits Affektionen des peripheren Nervensystems beschrieben, die pathophysiologischen Mechanismen sind allerdings nicht bekannt.

Wir berichten über einen 51-jährigen Patienten mit benigner symmetrischer Lipomatose, der sich mit progredienten Muskelkrämpfen und Fazikulationen im Bereich der unteren Extremitäten vorstellte. Bis auf erloschene Muskeleigenreflexe im Bereich der unteren Extremitäten ergab die neurologische Untersuchung keine Auffälligkeiten, insbesondere keine Paresen, Muskelatrophien und Sensibilitätsstörungen. Die elektroneurographische Untersuchung zeigte eine isoliert motorische axonale Neuropathie. Die Eigenanamnese des Patienten war unauffällig, es ergaben sich keine Zeichen eines chronischen Alkoholkonsums. Laborchemisch fiel eine Hyperlipoproteinämie sowie eine Erhöhung der Kreatinkinase auf 660U/l auf, weswegen eine Muskelbiopsie durchgeführt wurde. Diese zeigte ein myopathisches Zellbild mit erhöhter Faserkalibervariation und vermehrt binnenständigen Zellkernen, weiterhin „ragged red fibres“. Immunhistochemsiche Färbungen zeigten vermehrt Cytochrom-c-oxidase (COX) negative Fasern, daraufhin durchgeführte biochemische Analysen ergaben eine Reduktion der COX Aktivität gemessen am mitochondrialen Markerenzym Citratsynthase. Eine mitochondriale Gen-Analyse ergab Auffälligkeiten im Bereich Ser(UCN) SSCP und Lys SSCP der mitochondrialen tRNA, aber weder MELAS 3243 noch MERRF 8344.

Obwohl eine Assoziation der Erkrankung mit Neuropathien bereits beschrieben wurde ist die Ursache für diese unklar. Diskutiert wurden Auswirkungen des chronischen Alkoholkonsums, eine gestörte Mobilisation von gespeicherten Triglyceriden sowie mitochondriale Dysfunktionen. Bei unserem Patienten zeigten sich eine reduzierte COX Aktivität und Auffälligkeiten in spezifischen Regionen der mitochondrialen tRNA. In diesem Zusammenhang halten wir eine mitochondriale Genanalyse bei allen Patienten mit benigner symmetrischer Lipomatose und assoziierter Neuropathie für sinnvoll, zumal vielleicht dadurch die komplexe Pathophysiologie dieser seltenen Erkrankung besser verstanden werden kann.