Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P213
DOI: 10.1055/s-2007-976341

Untersuchung der hirnelektrischen Aktivität von Patienten mit Zwangsstörung und gesunden Kontrollen mit EEG und Low Resolution Tomography (LORETA)

M Folkerts 1, C Mulert 1, S Karch 1, G Leicht 1, R Mergl 1, N Schaaff 1, M Zaudig 1, G Juckel 1, M Riedel 1, U Hegerl 1, O Pogarell 1
  • 1München, Windach, Bochum

Pathophysiologische Konzepte der Zwangsstörung postulieren funktionelle Beeinträchtigungen kortiko-subkortikaler Regelkreise, die den frontalen Kortex, die Basalganglien sowie den Thalamus umfassen. Neurophysiologische und funktionell-bildgebende Studien bei Patienten mit Zwangsstörung haben Veränderungen der kortikalen Aktivität, insbesondere in den frontalen Hirnregionen, aufgezeigt.

In der vorliegenden Studie wurden Patienten mit der Diagnose einer Zwangsstörung (ICD-10: F42) und gesunde Kontrollpersonen neurophysiologisch mit EEG und Low Resolution Electromagnetic Tomography (LORETA) untersucht, um mit diesen Verfahren regionale Unterschiede der kortikalen hirnelektrischen Ruheaktivität zwischen den Gruppen darzustellen.

Es wurden 68 unmedizierte Patienten (37Männer, 31 Frauen, Alter 34,7±10,6 Jahre) und 68 alters- und geschlechtsgematchte gesunde Kontrollpersonen (Alter 37,6±13,0 Jahre) untersucht. Das EEG wurde mit 32 Kanälen (10/20-System) in entspannter Wachheit digital (Neuroscan Synamps) abgeleitet (Impedanz<5 kOhm, Sample Rate 250Hz, Bandpassfilter 0,16–50Hz).

Die Analyse erfolgte offline, nach visueller Artefaktkontrolle und 2s-Segmentierung der EEG-Rohdaten, mit LORETA, einem Softwaretool zur talairach-basierten Lokalisation kortikaler Generatoren vom Skalp abgeleiteter hirnelektrischer Aktivität. LORETA-Cross-Spektrum-Analysen wurden für die folgenden Frequenzbänder durchgeführt: delta (1,5–6,0Hz), theta (6,5–8,0Hz), alpha1 (8,5–10Hz), alpha2 (10,5–12,0Hz), beta1 (12,5–18,0Hz), beta2 (18,5–21,0Hz) und beta3 (21,5–30,0Hz).

Die Patientengruppe zeigte frontal eine ausgedehnte höhere kortikale Ruheaktivität im Delta-Frequenzspektrum, insbesondere im Bereich des Gyrus frontalis superior (T=3,06, p<0,05). Des Weiteren zeigte sich ein statistischer Trend einer höheren Ruheaktivität für das gesamte Frequenzspektrum (T=2,64, p<0,07), insbesondere im Bereich des anterioren Gyrus cinguli.

Unsere Daten zeigen an einer großen Fallzahl unmedizierter Patienten mit Zwangsstörung eine frontal lokalisierte höhere hirnelektrische Ruheaktivität, vor allem für langsame Frequenzen. Die Ergebnisse stimmen mit pathophysiologischen Konzepten einer frontalen Hyperaktivität bei Zwangsstörungen überein und weisen auf eine Dysfunktion des frontalen Kortex als eines der hirnfunktionellen Korrelate dieser Erkrankung hin.