Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P210
DOI: 10.1055/s-2007-976338

Die Bedeutung des Schlafentzugs-EEGs in der Diagnostik von Epilepsien

S Dempewolf 1, S Bunten 1, S Happe 1
  • 1Bremen

Einleitung: Schlafentzug (SE) ist eine allgemein gebräuchliche Provokationsmethode, um die Aussagekraft des Elektroenzephalogramms (EEG), insbesondere bei Patienten mit einer möglichen Epilepsie, zu erhöhen. Bislang liegen nur begrenzte Daten über den Wert eines SE-EEG in der Epilepsie-Diagnostik vor, in bisherigen Studien schwankt die durch SE beobachtete Aktivierungsrate epilepsietypischer Muster (ETM) zwischen 13% und 52%.

Methodik: Bislang wurden alle in der Abteilung für Klinische Neurophysiologie abgeleiteten EEGs aus den Jahren 2002–2005 von Patienten, die zum Untersuchungszeitpunkt mindestens 16 Jahre alt waren und neben einem initialen Routine-EEG (R-EEG) ein EEG nach 24-stündigem SE erhalten haben, retrospektiv analysiert (n=491). Die meisten Patienten wurden aufgrund einer unklaren Bewusstseinsstörung stationär aufgenommen (n=388). Neunzehn Patienten litten an einer bekannten Epilepsie ungeklärter Semiologie. Fünfundfünfzig Patienten wurden aufgrund eines fokalneurologischen Defizits, 29 aufgrund sonstiger Beschwerden zugewiesen.

Ergebnisse: Insgesamt zeigte das R-EEG in 8,1%, das SE-EEG in 17,1% ETM. Bei Patienten mit nicht-epileptischen Ereignissen (n=184) fand sich kein Unterschied bezüglich des Auftretens von ETM im R-EEG (5,4%) und SE-EEG (4,9%). Weder in der Routineuntersuchung noch nach SE zeigten sich ETM bei den Patienten, deren Beschwerden nicht zuordenbar blieben (n=3). Bei Patienten mit einem ersten epileptischen Anfall (n=179) lag das Verhältnis von ETM im R-EEG im Vergleich zu ETM im SE-EEG bei 5,0% zu 12,3%, bei fokalen Epilepsien (n=90) 15,6% zu 41,1%, bei generalisierten Epilepsien (n=23) 26,1% zu 65,2% und bei unklassifizierten Epilepsien (n=12) 8,3% zu 8,3%.

Zusammenfassung: Unsere Daten bestätigen den diagnostischen Nutzen des SE-EEGs. In vielen Fällen ist die zusätzliche Durchführung eines SE-EEG hilfreich, um zwischen epileptischen und nicht-epileptischen Anfällen zu unterscheiden und um epileptische Syndrome näher zu klassifizieren.