Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - V122
DOI: 10.1055/s-2007-976310

Funktionelle Bildgebung der Bewegungskrankheit (FDG-PET)

S Bense 1, C Best 1, H Buchholz 1, J Janzen 1, T Brandt 1, M Schreckenberger 1, B Cohen 1, M Dieterich 1
  • 1Mainz, München; New York, US

Bewegungskrankheit entsteht akut durch ungewohnte Bewegungsreize aufgrund intersensorischer Wahrnehmungsinkongruenzen zwischen visuellem, vestibulärem und somatosensorischem System und geht typischerweise mit vegetativen Symptomen einher. Frühere PET- und fMRT-Studien während vestibulärer oder visueller Bewegungsstimulation fanden jeweils Aktivierungen in einem und Deaktivierungen im anderen System, woraus das Konzept einer reziprok-hemmenden visuell-vestibulären Interaktion als grundlegendes Prinzip des menschlichen Gehirns zur Erhaltung einer adäquaten Eigen- und Objektbewegungswahrnehmung abgeleitet wurde (1). Ziel der aktuellen Fluorodeoxyglukose(FDG)-PET-Studie war festzustellen, welche Hirnregionen an der Verarbeitung bei Bewegungskrankheit beteiligt sind.

Es wurden 10 gesunde rechtshändige Männer zweimal mit FDG-PET untersucht: A) nach wiederholter Rechtsrotation um die Körperlängsachse auf einem Drehstuhl (100°/s) und intermittierender Kopfneigung in der Roll-Ebene nach links, was eine starke Kinetose auslöst, und B) ohne Drehbewegungsstimulation, nur mit intermittierender Kopfneigung. Die Probanden hielten die Augen in kompletter Dunkelheit geöffnet; ihre Augenbewegungen wurden mittels 3D-Videookulographie aufgezeichnet. Verschiedene autonome Parameter wie z.B. Herzratenvariabilität, sympathische Hautantwort und Blutdruck wurden registriert und perzeptive Parameter abgefragt (z.B. Dauer, Intensität und Unangenehmheit des induzierten Drehgefühls und der vegetativen Begleitreaktion). Ein kategorischer Vergleich wurde zwischen den zwei PET-Scans mit SPM berechnet und Korrelationsanalysen durchgeführt, um für Teilaspekte der Bewegungskrankheit spezialisierte Hirnregionen zu identifizieren.

Der kategorische Vergleich zwischen der Stimulations- und der Kontrollbedingung (A-B) zeigte Signaldifferenzen beidseits hauptsächlich im paramedianen Thalamus, der hinteren Insel mit angrenzendem retroinsulären Kortex, Putamen und Nukleus caudatus, vorderem und hinterem Zingulum sowie unilateral in der rechten vorderen Insel und rechtem Hippokampus. Der umgekehrte Kontrast (B-A) ergab Signaldifferenzen in Teilen des visuellen Kortex rechtsbetont.

Das Aktivierungs-/Deaktivierungsmuster mit Aktivierungen in vestibulären (z.B. Thalamus, insulärer Kortex, Hippokampus) und autonomen (anteriores Zingulum) Kortexarealen und Signalminderungen in visuellen Arealen repräsentiert intersensorische Wahrnehmungsinkongruenzen auf kortikalem Niveau.

1) Brandt et al. 1998