Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - V61
DOI: 10.1055/s-2007-976303

Unterschiedliche Mechanismen von Alterungs- und Lernprozessen: fMRI, Verhaltensversuche und Computersimulationen

HR Dinse 1, B Pleger 1, C Wilimzig 1, P Ragert 1, T Kalisch 1, V Nicolas 1, M Tegenthoff 1
  • 1Bochum

Fragestellung: Was sind die Auswirkungen von Alterungsprozessen auf cortikale Karten und Wahrnehmung, und worin unterscheiden sich die Mechanismen, die Alterungs- bzw. Lernprozessen zugrunde liegen?

Methoden: Alle Untersuchungen wurden vergleichend an einer Gruppe junger VP (25,5±3,5 Jahre, n=20) und einer Gruppe älterer, neurologisch gesunder Menschen (64,2±6,5 Jahre, n=20) durchgeführt. Veränderungen der taktilen Wahrnehmung wurden durch Messung der räumlichen 2-Punktdiskriminationsschwelle gemessen. Cortikale Reorganisationen wurden mittels fMRI bezüglich der Fingerrepräsentationen des primären (SI) und sekundären (SII) somatosensorischen Cortex erfasst. Lernprozesse wurden durch Applikation taktiler Coaktivierung ausgelöst. Computersimulationen der Dynamik cortikaler Populationsaktivierung und cortikalen Interaktion erfolgten mittels eines sog. „mean-field“ Ansatzes (dynamic field approach).

Ergebnisse: Im Vergleich zu jungen VP ist die taktile Wahrnehmung älterer VP deutlich verschlechtert, während das BOLD-Signal im Bereich der Repräsentationen der Finger signifikant vergrößert und verbreitert ist. Nach taktilem Lernen, was in beiden VP-Gruppen zu einer Verbesserung der taktilen Performanz führt, im Fall der älteren VP entspricht dies einer Abschwächung der altersbedingten Beeinträchtigung, sind ebenfalls in beiden VP-Gruppen die BOLD-Signale erhöht. Nach Computersimulationen beruhen die altersbedingten Veränderungen auf einer Verbreiterung der intracortikalen Interaktion, die eine Verbreiterung der cortikalen Aktivierung parallel zu einer Verschlechterung der räumlichen 2-Punktdiskriminationsleistung bewirkt. Im Gegensatz dazu beruhen die lernbedingten Änderungen auf einer Reduzierung der inhibitorischen Interaktionskomponente, was ebenfalls eine Verbreiterung der cortikalen Aktivierung, aber auf Ebene der Wahrnehmung eine Verbesserung der Diskriminationsleistung zur Folge hat.

Schlussfolgerung: Die Kombination von Imaging-, Verhaltensversuchen und Computersimulationen zeigt, dass die Feinstruktur von exzitatorischer und inhibitorischer intracortikaler Interaktion eine zentrale Rolle spielt. Diese wird durch Alterungs- und Lernprozesse in unterschiedlicher Weise beeinflusst und kontrolliert dadurch sowohl die Größe cortikaler Aktivierung als auch Wahrnehmungsleistungen.