Zusammenfassung
Das perioperative Management von Patienten mit Nebennierenerkrankungen setzt die genaue
Kenntnis des individuellen Hormonstatus und der spezifischen Komplikationsmöglichkeiten
voraus. Die typischen Symptome des primären Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) sind
arterieller Hypertonus, Hypokaliämie und metabolische Alkalose. Die präoperative Behandlung
mit Spironolacton ist bei diesen Patienten essentiell. Beim Hypercortisolismus (Cushing-Syndrom)
müssen vor allem folgende Begleitphänomene beachtet werden: arterieller Hypertonus,
Osteoporose, vulnerable Haut, diabetische Stoffwechsellage sowie erhöhtes Infektions-
und Thromboembolierisiko. Bei manifester oder drohender Nebennierenrindeninsuffizienz
(z.B. bei M. Addison, nach der Entfernung eines cortisolproduzierenden Tumors oder
nach langdauernder Corticoidtherapie) muss Hydrocortison perioperativ konsequent substituiert
werden. Beim Phäochromozytom können während der Operation infolge der massiven Freisetzung
von Katecholaminen schwere Hypertensionen und Tachyarrhythmien ausgelöst werden. Die
präoperative Behandlung mit dem β-Rezeptorenblocker Phenoxybenzamin ist bei diesen
Patienten obligat, intraoperativ erfolgt die Blutdruckkontrolle am besten mit Nitroprussidnatrium.
β-Blocker dürfen beim Phäochromzytom nur unter suffizienter β-Blockade eingesetzt
werden. Bei der Entfernung maligner Tumoren der Nebenniere kann es zu massiven Blutungen
kommen. Das anästhesiologische Management muss dementsprechend modifiziert werden.
Abstract
Perioperative management of patients with adrenal gland diseases requires detailed
information on the individual endocrine status and the potential complications. Typical
signs of primary hyperaldosteronism (Conn`s syndrome) comprise arterial hypertension,
hypokalaemia and metabolic alkalosis. In such cases preoperative treatment with spironolactone
is highly recommended. In patients with hypercortisolism (Cushing`s syndrome) the
following concomitant disorders must be considered particularly: arterial hypertension,
osteoporosis, vulnerable skin, diabetes mellitus, and increased risk for infection
and thromboembolism. In all patients with proven or suspected adrenocortical insufficiency
(i.e. Addison`s disease, after removal of a cortisol producing tumour or as the result
of long-term therapy with glucocorticoids) consequent perioperative supplementation
of hydrocortisone is mandatory. In patients with phaeochromcytoma hypertensive crisis
and tachyarrhythmias may occur intraoperatively resulting from massive catecholamine
release. Thus, preoperative treatment with the β-antagonist phenoxybenzamine is obligatory.
In contrast, nitroprusside is the substance of choice for intraoperative control of
blood pressure. β-blocking agents may be used in phaeochromocytoma but only under
sufficient β-blockade. Removal of a malignant tumour of the adrenal gland may induce
massive haemorrhage, and thus anaesthetic management has to be modified.
Schlüsselwörter:
Anästhesie - Nebennierenerkrankungen - Komplikationen
Key words:
anaesthesia - adrenal gland diseases - complications
Kernaussagen
-
Vor allen operativen Eingriffen an den Nebennieren muss eine genaue Analyse des Hormonstatus
vorliegen.
-
Patienten mit primärem Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) müssen vor einem Elektiveingriff
medikamentös eingestellt werden. Mittel der Wahl ist Spironolacton, die Dauer der
Vorbehandlung sollte mindestens zwei Wochen betragen.
-
Die Tagesproduktion von Cortisol beträgt beim Erwachsenen ca. 10-20mg. In Stresssituationen
(Trauma, Sepsis etc.) kann der Tagesbedarf bis auf 200mg/d (100mg/m2) ansteigen.
-
Perioperativ müssen beim Cushing-Syndrom folgende Begleiterscheinungen besonders beachtet
werden: Bluthochdruck, diabetische Stoffwechsellage, Infektanfälligkeit, erhöhtes
Thrombose- und Ulkusrisiko, Osteoporose und vulnerable Haut.
-
Die operative Therapie des Cushing-Syndroms (Entfernung von ACTH bzw. CRH produzierendem
Gewebe, uni- oder bilaterale Adrenalektomie) erfordert die langfristige Substitution
von Hydrocortison. Am OP-Tag werden insgesamt 200mg Hydrocortison i.v. verabreicht,
davon die Hälfte intraoperativ.
-
Unter der Medikation von 5mg Prednisonäquivalent über mindestens zwei Wochen kann
es zu einer anhaltenden Suppression der körpereigenen Cortisolproduktion kommen. Werden
solche Patienten innerhalb der nächsten zwölf Monate operiert, sollte Hydrocortison
zur Verhinderung einer Nebennierenrindeninsuffizienz perioperativ substituiert werden.
-
Patienten, die unter einer aktuellen Kortikoidtherapie stehen, erhalten am Morgen
des OP-Tages die gewohnte Hormondosis oral. Bei kleinen Eingriffen erfolgt keine weitere
Substitution, bei mittelschweren Eingriffen wird Hydrocortison am OP-Tag in einer
Dosis von 3-mal 25mg, bei großen Eingriffen in einer Dosis von 3-mal 50mg i.v. verabreicht.
-
Zur Kreislaufstabilisierung kann beim septischen Schock Hydrocortison in „Stressdosis”
eingesetzt werden. Initial werden 100mg als Kurzinfusion über 30min, anschließend
0,18mg/kg/h bis zum Ende der Katecholaminzufuhr infundiert.
-
Bei Patienten mit adrenogenitalem Syndrom muss präoperativ ein Salzverlustsyndrom
erkannt und therapiert werden.
-
Bei der Resektion eines Nebennierenmalignoms kann es zu erheblichen Blutungen kommen.
Das anästhesiologische Regime muss dementsprechend modifiziert werden.
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