Laryngorhinootologie 2007; 86(4): 250-251
DOI: 10.1055/s-2007-972775
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Akuta Otitis Media bei Kindern - Ist Wait-and-See-Strategie sinnvoll?

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Publication Date:
03 April 2007 (online)

 

Eine Akute Otitis media heilt bei Kindern häufig spontan aus, wobei sich die Komplikationsraten mit oder ohne Antibiotikagabe wenig unterscheiden. Spiro et al. untersuchten, ob eine Wait-and-See-Strategie mit Vorabrezeptierung eines Antibiotikums und Instruktion der Bezugsperson praktikabel und sicher ist. JAMA 2006; 296: 1235-1241

Die Autoren nahmen in ihre randomisierte Studie 283 Kinder zwischen 6 Monaten und 12 Jahren auf, die aufgrund einer akuten Otitis media in der pädiatrischen Notfallambulanz des Yale-New Haven Hospitals (New Haven, USA) vorgestellt wurden. Ausschlusskriterien waren eine antibiotische Therapie in den letzten 7 Tagen, interkurrente bakterielle Infektionen, Trommelfellperforation, Paukenröhrchen und ein schwer krankes Erscheinungsbild. Die Kinder wurden in 2 Gruppen randomisiert: 145 wurde ein Antibiotikum zur sofortigen Therapieaufnahme verschrieben und 138 wurden nach einer Wait-and-See-Strategie behandelt: Die Bezugspersonen dieser Kinder erhielten jeweils ein 3 Tage lang gültiges Rezept für ein Antibiotikum und wurden angewiesen, das Rezept nur dann einzulösen, wenn bei ihrem Kind nach 48 h keine Besserung oder eine Verschlechterung des Zustandes einträte. Alle Kinder erhielten unabhängig von ihrer Gruppenzuordnung Ibuprofen sowie lokal analgetisch wirkende Ohrentropfen mit Phenazon und Benzocain.

Nach 4-6, 11-14 sowie nach 30-40 Tagen wurden die Betreuungspersonen der Kinder telefonisch zum Verlauf der Erkrankung befragt und es wurde eruiert, wie hoch jeweils der Anteil der Kinder in den beiden Gruppen war, die tatsächlich das Antibiotikum erhielten. Die Angaben der Betreuungspersonen zum Einlösen des Rezeptes wurden durch Befragung der zuständigen Apotheken verifiziert.

83% der Kinder der Wait-and-See-Gruppe und 85% der Kinder der Kontrollgruppe hatten eine einseitige Mittelohrentzündung, in den übrigen Fällen waren beide Ohren erkrankt. In der Mehrheit der Fälle wurde in beiden Gruppen Amoxicillin rezeptiert. In der Gruppe der Kinder, die nach der Wait-and-See-Strategie behandelt wurden, wurde das Rezept in 38% der Fälle eingelöst; in der Gruppe der Kinder, denen das Antibiotikum direkt verordnet wurde, in 87% der Fälle. Als Gründe, das Antibiotikum zu verabreichen, wurden von den Bezugspersonen der Kinder der Wait-and-See-Gruppe Fieber (60%), Ohrenschmerzen (34%) und benommenes Verhalten des Kindes (6%) angegeben.

In der Gruppe der Kinder mit sofortiger Therapieaufnahme traten häufiger Durchfälle auf. Dies entspricht den Ergebnissen früherer Studien und lässt sich mit dem vermehrten Einsatz von Antibiotika erklären. Die mittlere Dauer der Otalgie unterschied sich geringfügig zugunsten der Gruppe der Kinder, die sofort Antibiotika erhielten: Hier dauerte die Otalgie im Durchschnitt 0,4 Tage kürzer. Auch dieses Ergebnis bestätigt vorausgegangene Stuien, die eine Abkürzung der Schmerzsymptomatik durch Antibiotika bei der akuten Otitis media gezeigt hatten. Die Rate der erneuten Vorstellungen in der Notfallambulanz, unterschied sich in den beiden Studiengruppen nicht signifikant. Die Autoren schließen daraus, dass die Rückfallraten in beiden Gruppen vergleichbar waren.