Psychiatrie und Psychotherapie up2date 2007; 1(04): 261-274
DOI: 10.1055/s-2007-970826
Angststörungen, Zwangsstörungen und stressassoziierte Störungen

Soziale Phobien erkennen und behandeln

Katrinvon Consbruch
,
Ulrich Stangier
Kernaussagen

Störungsbild

  • Leistungs- und Interaktionssituationen lösen die Befürchtung aus, dass eigenes Verhalten oder körperliche Symptome von anderen Menschen als peinlich bewertet werden. Dabei unterscheidet sich die soziale Phobie von einfachen sozialen Ängsten, die weitverbreitet und nicht krankheitswertig sind, durch das Ausmaß der Angst, ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, eine intensive gedankliche Beschäftigung mit den eigenen Ängsten und eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität.

Diagnostik

Soziale Phobien werden häufig nicht erkannt oder unterschätzt:

  • Patienten sprechen aus Scham nicht über das volle Ausmaß ihrer Schwierigkeiten.

  • Diagnostiker stufen die Befürchtungen fälschlicherweise nicht als krankheitswertig ein.

  • Komorbide Störungen werden als wichtiger erachtet, deshalb findet keine Behandlung der sozialen Phobie statt.

  • Es besteht ein großer, symptomatischer Überlappungsbereich mit anderen psychischen Störungen.

Ätiologie

Eine biologische Disposition zur Entwicklung sozialen Phobien gilt als gesichert. Zwillingsstudien ermitteln eine Heritabilität von 30 - 50 %. Neurobiologisch wird von einer Dysfunktion des serotonergen Systems mit erhöhter Aktivierung von Amygdala und Insula ausgegangen. Daneben gelten negative Lebensereignisse, sozial traumatisierende Erfahrungen und bestimmte Erziehungsstile als empirisch gut belegte Umwelteinflüsse, die das Auftreten einer sozialen Phobie begünstigen.

Lerntheoretische und kognitive Erklärungsansätze haben die Entwicklung effektiver Behandlungsmethoden ermöglicht.

Therapie

  • Pharmakologisch wird die Gabe von SSRIs zur Behandlung der sozialen Phobie empfohlen.

  • Unter den psychotherapeutischen Verfahren ist das Gruppentherapieprogramm nach Heimberg weitverbreitet, welches Exposition und kognitive Umstrukturierung kombiniert.

  • Pharmakologische Behandlung und kognitive Verhaltenstherapie zeigen kurzfristig die besten Effekte. Längerfristige Erfolge werden durch kognitive Verhaltenstherapie erzielt.

  • Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Effektivität der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Verfahren durch die Berücksichtigung des kognitiven Modells von Clark und Wells erheblich verbessern lässt. Dabei wird die Therapie um eine prozessorientierte Vorbereitung der Exposition, die Identifikation und die Veränderung von Aufmerksamkeitsprozessen und Sicherheitsverhalten sowie die explizite Bearbeitung antizipatorischer und nachträglicher Verarbeitung der angstauslösenden Situation ergänzt.



Publication History

Publication Date:
19 June 2007 (online)

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