Psychother Psychosom Med Psychol 2007; 57 - A045
DOI: 10.1055/s-2007-970664

Wollen psychisch erkrankte Menschen, die eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, wieder ins Erwerbsleben eingegliedert werden?

A Kobelt 1, B Hesse 2, E Gebauer 2, E Grosch 1, M Krähling 1, C Gutenbrunner 3
  • 1Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Laatzen
  • 2Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Münster
  • 3Medizinsche Hochschule, Koordinierungsstelle für angewandte Rehabilitationsforschung, Hannover

Psychische Erkrankungen haben eine zunehmende Bedeutung bei Frühberentungen wegen voller Erwerbsminderung (VEM-Rente). Mehr als ein Drittel dieser Versicherten nehmen vor ihrer Berentung nicht an einer medizinischen Rehabilitation teil. Nur 6% kehren in Beschäftigungsverhältnisse zurück (Hesse, 2001).

Hypothesen unserer Untersuchung:

1. Psychisch erkrankte Versicherte mit einer VEM-Rente, sind zwei Jahre nach Beginn der Berentung immer noch gesundheitlich deutlich eingeschränkt.

2. Etwa ein Drittel dieser Versicherten sind an einer Wiedereingliederung interessiert.

3. Der Wunsch danach hängt von den gesundheitlichen Einschränkung und vom Alter ab.

Methodik

Allen psychisch erkrankten Versicherten der DRV Braunschweig-Hannover, die im Jahr 2004 eine VEM-Rente bewilligt bekamen und unter 50 Jahren alt waren (n=352) wurde ein anonymisierter Fragebogen (Symptombelastung, Inkongruenzerleben, Alltagsaktivität, Motivation zur Reintegration) zugeschickt (Responderrate 54%).

Ergebnisse

Das Durchschnittsalter lag bei 47 ± 7 Jahren, die mittlere Berentungsdauer betrug 2 Jahre. Die Versicherten waren psychisch deutlich belastet. Es fand sich ein mittlerer Geschlechtseffekt. Frauen fühlten sich in ihrer Alltagsaktivität eingeschränkter, ängstlicher und somatisch belasteter als die Männer.

Etwa ein Drittel war motiviert, konkrete Unterstützung zur Reintegration zu nutzen. Die Motivation war von der gesundheitlichen Einschränkung und der Somatisierungstendenz abhängig.

Diskussion

Das Ausmaß der gesundheitlichen Einschränkungen hat nur geringen Einfluss auf die Motivation, ins Erwerbsleben zurückzukehren (vgl. a. Förster, 1984). Trotzdem ist der altersbedingte Anstieg der symptomatischen Belastung und der Einschränkungen im Alltag bei Initiativen zur Wiedereingliederung zu berücksichtigen. Der relativ hohe Anteil von Versicherten, die an einer Wiedereingliederung interessiert sind, begründet die Notwendigkeit neuer Rehabilitations- und Integrationskonzepten.

Literatur: Förster, K. (1984). Neurotische Rentenbewerber. Psychodynamische Entwicklung und sozia-ler Verlauf aufgrund mehrjähriger Katamnesen. Enke: Stuttgart. Hesse, B. (2001). Rehabilitation und Frühberentung bei jüngeren Antragstellern mit psychi-schen Erkrankungen. Unveröffentlichter Projektbericht. Institut für Rehabilitationsforschung Norderney – Abteilung Sozialmedizin Münster. URL: http://www.rehaforschung-norderney.de/img/eigene/Abschlussbericht_projekt_90.pdf