Pneumologie 2007; 61 - A6
DOI: 10.1055/s-2007-970610

Inhalationstherapie bei COPD und Asthma bronchiale: Update 2006

M Kohlhäufl 1
  • 1Asklepios Fachklinik München-Gauting, Gauting, Deutschland

1. COPD

1.1. Inhalative Kortikoidtherapie und Mortalität

In einer Meta-Analyse (11) von sieben randomisierten klinischen Studien (n=5058 Patienten mit stabiler COPD) untersuchten die Autoren den Einfluss inhalativer Kortikosteroide (ICS) auf die Gesamtmortalität (Durchschnittsalter 59 Jahre; FEV1 58±20 Soll%; 69% aktive Raucher; 71% männlich; 49% GOLD-Klasse II). Die pharmazeutische Industrie stellte zu allen eingeschlossenen Studien die Originaldaten zur Verfügung. Alle Patienten wurden mindestens 12 Monate mit inhalativen Steroiden (ICS) oder Placebo behandelt. Patienten der Placebo-Gruppen erhielten keine inhalativen Steroide, jedoch Beta-Mimetika, Anticholinergika oder Theophyllin. In einer eingeschlossenen Studie (Lung Health Study-2) erhielten die Patienten in der Placebogruppe keine Medikation. Die Gesamtmortalität lag bei 4,0% (201 Patienten) hauptsächlich aufgrund respiratorischer oder kardiovaskulärer Ursachen (64%). Unterschiede zwischen den eingesetzten inhalativen Kortikoiden wurden nicht gefunden. Die Autoren konstatieren damit eine Wirkstoffklasseneffekt. Ein Einfluss der Dosierung konnte aufgrund der unterschiedlichen Studiendesigns nicht beurteilt werden. Patienten unter ICS hatten eine um 27% geringere Gesamtmortalität als Patienten in der Placebo Gruppe (Hazard Ratio, HR, 0,73; 95% CI 0,55–0,96). Am stärksten profitierten Patienten der Schweregrade GOLD III/IV von inhalativen Steroiden (HR 0,66; 95% CI 0,48–0,94), Frauen (HR 0,46), Ex-Raucher (HR 0,60), sowie Patienten deren post-bronchodilatatorisches FEV1<60 Soll% betrug (HR 0,66). Eine Therapie mit ICS senkt die Gesamtmortalität bei stabilen COPD-Patienten um 27%. Als mögliche Ursache der Senkung der Gesamtmortalität vermuten die Autoren die Reduktion der Exazerbationsrate. Es gab mehr Studienabbrüche in den Placebo-Gruppen. Damit könnte der wahre Effekt inhalativer Steroide eher unterschätzt worden sein. Kritisch ist anzumerken, dass keine der eingeschlossenen Studien „Mortalität“ als Endpunkt definiert hatte. Die Frage nach der effektivsten Dosierung von ICS bleibt aufgrund der relativ homogen eingesetzten Studienmedikation unbeantwortet. Das positive Ergebnis dieser Metaanalyse bezüglich einer Mortalitätssenkung bei COPD durch ICS wurde aktuell prospektiv überprüft (14). Nach dreijähriger kombinierter COPD-Inhalationstherapie (n=6112; mittleres FEV1 44%Soll) mit Fluticason/Salmeterol betrug die absolute Mortalitätsreduktion 2,6% (p=0,052) und unterschied sich damit nicht signifikant von der Plazebo-Gruppe (2).

1.2 Tiotropium und Exazerbationsrate

Tiotropium induziert eine Bronchodilatation durch Antagonisierung von Acetylcholin an den muskarinergen M3-Rezeptoren auf den Muskelzellen der Bronchialwand. Die Ergebnisse der aktuellen Veterans Affairs (VA)-Studie (9) mit 1.829 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD (mittleres FEV1 36%) zeigten, dass die einmal täglich Inhalation von 18µg Tiotropium über einen Zeitraum von sechs Monaten signifikant den prozentualen Anteil der Patienten mit mindestens einer Exazerbation um 14% verringert (27,9% vs. 32,3%; p=0,037). Zudem mussten 26% weniger COPD-Patienten wegen einer Exazerbation stationär behandelt werden (7,0% vs. 9.5%; p=0,056). Im Durchschnitt konnte die Zeit bis zur ersten Verschlechterung signifikant verlängert werden (p=0,028). Die präventive Wirkung des langwirksamen Anticholinergikums Tiotropium wurde aktuell auch in einer einjährigen, randomisierten, doppelblinden Studie in Frankreich (1010 Patienten; 177 Zentren) bestätigt (3): Reduktion des Patientenanteils mit mehr als einer Exazerbation um 17% (p<0,01), deutliche Verzögerung bis zur ersten Exazerbation um ca. 100 Tage (p<0,001) und verminderte Anzahl an Exazerbationen um 35% (p<0,001). Die Resultate beziehen sich jedoch nur auf Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD:

2. Asthma

2.1 Regionales Targeting mit monodispersen Aerosolpartikeln

Derzeit verfügbare treibgasgetriebene Dosieraerosole und Pulverinhalatoren erreichen nur eine pulmonale Depositionsrate von ca. 15–20%. Die höchsten Verluste entstehen durch die Deposition im Oropharynx durch Impaktion. Eine britische Arbeitsgruppe (12) verglich die Depositionsrate und den bronchodilatatorischen Effekt einer volumenkontrollierten langsamen Inhalation (Atemfluss von 30–60 L/min) von Salbutamol-Aerosolpartikeln mit unterschiedlicher Teilchengröße (MMAD von 1,5µm, 3µm, und 6µm) bei zwölf Patienten mit stabilem leicht-bis mäßiggradigem Asthma bronchiale. Das Aerosol wurde mit der Bolus-Single-Breath-Technik (Inhaliertes Volumen 1000ml) direkt aus einem Inhalationskanal des Spinning-top Aerosolgenerators (STAG; Mark II, Research Engineers, London, UK) inhaliert. Eine Atemzugtriggerung bzw. Koordination zwischen Aerosolfreisetzung und Inspiration war nicht erforderlich. Die totale Lungendeposition der 6µm Partikel unterschied sich mit 46% nicht signifikant von den 3µm Partikeln (51%), war jedoch etwas kleiner als die der 1,5µm Partikel (56,3%). Die überwiegend periphere Deposition der 1,5µm Partikel war bezüglich des bronchodilatatorischen Effektes den 6-und 3-µm Partikeln mit Deposition im zentralen Bronchialtrakt unterlegen (Reihenfolge 6>3>1,5µm; FEV1: 484ml, 420ml, 337ml). Eine 30µg-Dosis der 6µm-Salbutamolpartikel war effektiver als ein 200µg-ub eines konventionellen Salbutamol-Dosieraerosols (FEV1 551ml vs. 494ml). Die höhere zentrale Deposition der 6µm Partikel zeigte auch erwartungsgemäß den größeren bronchodilatatorischen Effekt, da hier der Anteil an glatter Muskulatur und die Flächendosis höher ist als in der Alveolarregion, die allerdings die höhere Beta-2-Rezeptorendichte aufweist. Die langsame Inhalation relativ großer monosdisperser 6µm-Partikel zeigt den besten bronchodilatatorischen Effekt durch bevorzugte Deposition in den proximalen Atemwegen.

2.2. Akuttherapie des Asthma bronchiale im hochdosierter inhalativer Kortikoidtherapie

Inhalative Kortikosteroide sind im Gegensatz zur systemischen Kortikoidtherapie (i.v. oder oral) nach aktuellen Leitlinien nicht Bestandteil der Notfalltherapie des schweren Asthmaanfalls beim Erwachsenen (1). Ziel einer randomisierten prospektiven Studie (10) war der Vergleich einer hochdosierten inhalativen Steroidtherapie mit einer konventionellen systemischen intravenösen Kortisontherapie bei Erwachsenen mit einem schweren Asthmaanfall (n=106; Durchschnittsalter 33,5 Jahre). In der Notaufnahme erhielten Asthmatiker mit akuter schwerer Asthmaexazerbation (PEF oder FEV1 <50 Soll%) entweder 3000µg/Fluticason/h über 3 Stunden (2 Hübe Fluticason mittels eines treibgasgetriebenen Dosieraerosols und Spacer alle 10min.) (FP-Gruppe; n=52) oder einmalig 500mg Hydrocortison intravenös (HYD-Gruppe; n=54). Beide Gruppen erhielten zusätzlich 4 Hübe Salbutamol und Ipratropiumbromid (2400µg Salbutamol, 504µg Ipratropiumbromid). Der Therapieeffekt wurde spirometrisch alle 30min. über 3 Stunden protokolliert. Nach 30min und 60min. zeigte sich kein signifikanter Unterschied in PEF und FEV1 zwischen beiden Gruppen. Im weiteren Verlauf zeigte die FP-Gruppe im Vergleich zur HYD-Gruppe jedoch signifikant bessere PEF-und FEV1-Werte nach 90, 120, 150 und 180min. (p<0.05). In der FP-Gruppe lagen die PEF-Werte insgesamt 30.5% (52,7 L/min MW) und die FEV1-Werte 46.4% (0.42 L) über denen der HYD-Gruppe. Die Subgruppe von Patienten mit ausgeprägterer Obstruktion (FEV1 <1 L) profitierte dabei am deutlichsten. Das Nebenwirkungsspektrum zeigte keine Gruppenunterschiede. Ein signifikanter therapeutischer Effekt nach systemischer Kortikoidgabe ist nach derzeitigem Kenntnisstand frühestens nach 3–4 Std zu erwarten. Diese interessante Studie zeigte nach hochdosierter inhalativer Kortikoidtherapie mit einer dreifachen Fluticason-Tageshöchstdosis bereits 90min. nach Behandlungsbeginn eine signifikante Überlegenheit im Vergleich zur konventionellen systemischen Kortikoidtherapie. Dieser Effekt kann nicht mit der Wirkung von Glukokortikoiden auf die Gentranskription erklärt werden. Bekannt ist jedoch der vasokonstriktorische Effekt („bleaching“) von Glukokortikoiden mit Reduktion des Mukosaödems (7). Diese Wirkung ist nach derzeitigem Kenntnisstand dosisabhängig, jedoch nicht substanzspezifisch (z.B. auch bei Beclometason, Budesonid). Da kein Follow-up erfolgte, ist der Effekt auf klinische Outcome-Parameter für den weiteren Verlauf nicht beurteilbar. Einschränkend ist zu beachten, dass diese Ergebnisse nur für treibgasgetriebene Dosieraerosole gelten und nicht auf Pulverinhalationssysteme übertragbar sind, da hier im Asthma-Anfall der nötige inspiratorische Mindestfluss durch den Patienten nicht gewährleistet ist.

2.3. Inhalative Kombinationstherapie

Langwirksame Betamimetika werden bei mittelgradigem persistierendem Asthma (Therapiestufe III) zusätzlich zur entzündungshemmenden Dauertherapie mit einem inhalativen Glukokortikoid empfohlen. Dies gilt auch, wenn ein geringradiges persistierendes Asthma nicht mit inhalativen Glukokortikosteroiden (ICS) allein zu kontrollieren ist. Unklar ist, ab welcher Tagesdosis eines ICS mit einer Kombinationstherapie begonnen werden soll.

Ziel einer aktuellen Meta-Analyse (4) war, die bei fehlender Asthmakontrolle unter ICS-Monotherapie im praktische Alltag häufige Frage zu beantworten: ICS-Dosiserhöhung um mindestens das Doppelte oder gleich Kombinationstherapie mit langwirksamen Betamimetikum? Dazu wurde der klinische Benefit einer zusätzlichen Gabe von Salmeterol (langwirksames Betamimetikum) zu einer mittleren ICS-Dosis (200µg Fluticason oder äquivalent) untersucht. 12 Studien (n=4576 Asthmatiker) erfüllten die Kriterien zur Aufnahme in die Meta-Analyse. Eine Fluticason-Dosis von 200µg wurde gewählt, da hier in 80–90% der maximale therapeutische Effekt (incl. Exazerbationen) zu erwarten ist. Die ICS-Gruppe zeigte eine höhere Drop-out-Rate an Patenten wegen anhaltender Asthmabeschwerden und Exazerbationen. Die Gruppe mit der Kombinationstherapie zeigte bessere Lungenfunktionsparameter (FEV1, Peak flow) und einen niedrigeren Verbrauch an Bedarfsmedikation. Die dropout-Rate wegen anhaltender Asthmabeschwerden und das Risiko von Exazerbationen wurde durch eine Kombinationstherapie ICS / Salmeterol um 35–50% reduziert. Von den Autoren wird der Beginn einer Kombinationstherapie bei einer mittleren Fluticason-Dosis von 200µg (oder Äquivalenzdosen) empfohlen. Leider wurde die Analyse auf Salmeterol begrenzt. Ein weiteres verfügbares langwirksames Betamimetikum Formoterol konnte nach Angabe der Autoren wegen unterschiedlicher Studiendesigns und geringerer Studienzahl nicht berücksichtigt werden. Ein ähnlicher Effekt ist jedoch zu erwarten. Bei flacher Dosis-Wirkungskurve der ICS empfiehlt sich bei unzureichender Asthmakontrolle unter alleiniger ICS-Therapie statt einer ICS-Dosiserhöhung die frühzeitige Kombination mit einem langwirksamen Betamimetikum.