Zeitschrift für Phytotherapie 2006; 27(6): 279-283
DOI: 10.1055/s-2007-967720
Forschung
Grundsatzpapier zur Phytotherapie
© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Die wissenschaftliche Basis der Phytotherapie

The scientific basis of herbal medicineKarin Kraft, Reinhard März
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Publication Date:
15 January 2007 (online)

Zusammenfassung

Die Phytotherapie versteht sich als naturwissenschaftliche Therapierichtung, deren Arzneimittel Vielstoffgemische sind [6] [11] [19] [20]. Daraus ergibt sich, dass die Gesamtaktivität eines Phytopharmakons als Summe der Aktionen und Interaktionen seiner Inhaltsstoffe bestimmt wird, wobei die Aktivitäten dieser Inhaltsstoffe pharmakologischer oder biopharmazeutischer Natur sein können. Implizit kann von einem Synergieeffekt immer dann ausgegangen werden, wenn eine Wirkung oder Wirksamkeit nicht mit dem gleichen Nutzen-Risiko-Verhältnis durch einen einzelnen Inhaltsstoff ausgelöst werden kann; auch die Existenz negativer Interaktionen ist möglich. Erste explizite Nachweise von Synergieeffekten liegen vor und bestätigen das Konzept des »Gesamteffektes« bei pflanzlichen Arzneimitteln. Diese naturwissenschaftliche Auffassung des Vielstoffgemisches ist eine explizite Abkehr von der Vorstellung der »quinta essentia« als dem (singulären) Wirkprinzip in Arzneipflanzen. Synergistische Effekte müssen gezielt beforscht werden, in ihrer Nutzung liegt eine große Chance zur Weiterentwicklung der medikamentösen Therapie.

Summary

Herbal medicine (phytotherapy) is part of scientific medicine and is characterised by the use of herbal extracts, which are complex mixtures of several substances.

The total activity of a herbal extract is the sum of actions and interactions of all of its ingredients whereby the activities of these ingredients can be pharmacological or biopharmaceutical in nature. Implicitly, synergistic activity always occurs if an effect or effectiveness with the same benefits and risks is elicited by more than one component. Negative interactions are possible as well. Now the first explicit evidence of synergic effects is available and supports the concept of the »total effect« in herbal medicine, which has been claimed for a long time. This new scientific concept explicitly abandons the former demand of a »quinta essentia« which put emphasis on a singular effective ingredient in herbal extracts. More research is needed to detect synergistic effects which could improve the benefit of drug therapy.

Literatur

1 In der Verwendung des Terminus hält sich diese Arbeit an die von Berenbaum (1) erarbeiteten Grundlagen.

2 Die Suche nach neuen Wirkstoffen im Pflanzenreich erfolgt heutzutage auf hohem technischen Niveau mit automatischem Wirkstoffscreening, aber auch als ethnomedizinische Forschung: Wegen der hohen Kosten für die Entwicklung bis zum Wirkstoff erfolgt dies nur noch unter der Voraussetzung, dass eine exklusive Nutzung möglich ist.

3 Dazu könnte man auch sagen: wenn dies auch nicht für alle Zubereitungen aus pflanzlichen Drogen gilt, so hat doch die Phytotherapie insgesamt dem durch die internationalen Pharmakonzerne ausgelösten hohen Selektionsdruck fast problemlos standgehalten.

4 Wacholderölbad ist hierfür ein gutes Beispiel.

5 In dieser Darstellung wird die Arzneipflanze genannt; die Aussagen zu Inhaltsstoffen und Effekten werden mit Zubereitungen gemacht, in aller Regel mit den verfügbaren Spezialextrakten (z.B. bei Ginkgo: EGb 761). Eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Zubereitungen ist nur nach stofflicher Prüfung wissenschaftlich korrekt.

Prof. Dr. med. Karin Kraft

Lehrstuhl für Naturheilkunde

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin, Universität Rostock

Ernst-Heydemann-Str. 6

18057 Rostock

Dr. Reinhard März

SCIRM

Peter-Hannweg-Str. 8

90768 Fürth

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