Gastroenterologie up2date 2007; 3(2): 86-87
DOI: 10.1055/s-2007-966624
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Chronische Pankreatitis: endoskopische oder chirurgische Pankreasgangdrainage?

Komplizierte Fälle sollten dem Chirurgen vorgestellt werdenTilman  Sauerbruch
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Publication Date:
03 July 2007 (online)

Kommentar zu:

Endoskopische vs. chirurgische Pankreasgangdrainage bei chronischer Pankreatitis

Endoscopic versus surgical drainage of the pancreatic duct in chronic pancreatitis

Cahen DL, Gouma DJ, Nio Y, Rauws EA, Boermeester MA, Busch OR, Stoker J, Lameris JS, Dijkgraaf MG, Huibregtse K, Bruno MJ; Department of Gastroenterology and Hepatology, Academic Medical Center, Amsterdam, The Netherlands

Hintergrund: Die chronische Pankreatitis ist durch die schubweise oder kontinuierliche Zerstörung des Pankreasgewebes im Rahmen der chronischen Entzündung definiert. Patienten mit chronischer Pankreatitis und erweitertem Pankreasgang wird zur Schmerzlinderung eine duktale Dekompression empfohlen. Inwieweit eine chirurgische Drainage der endoskopischen Drainage in Bezug auf Schmerzlinderung Vorteile bringt, wurde nun in einer randomisierten Studie überprüft.

Methoden: Untersucht wurden 39 symptomatische Patienten mit chronischer Pankreatitis und distaler Obstruktion des Pankreasgangs. Einer endoskopischen transampullären Drainage wurden 19 Patienten randomisiert zugeteilt, wovon bei 16 eine Lithotripsie vorausgegangen war. Die anderen 20 Patienten erhielten eine chirurgische Pankreatikojejunostomie. Primärer Endpunkt war der mittlere Izbicki-Schmerz-Score während der 2 Jahre Beobachtungszeit. Der Schmerz-Score wird aus der Frequenz und der Intensität der Schmerzen, der Einnahme von Schmerzmitteln sowie der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ermittelt (Skala: 0 - 100). Je höher die Skala, desto stärker der Schmerz. Eine komplette Schmerzfreiheit entsprach einem Izbicki-Score ≤ 10, eine partielle Schmerzfreiheit einem Score >10 nach einer Schmerzlinderung um >50 %. Sekundäre Endpunkte waren Schmerzlinderung am Ende der Beobachtungszeit, körperliche und mentale Gesundheit, Morbidität und Mortalität, Krankenhausaufenthaltsdauer und Anzahl der Eingriffe sowie Änderung der Pankreasfunktion. Die körperliche und mentale Gesundheit wurden anhand eines validierten Fragebogens evaluiert.

Ergebnisse: Der mittlere Izbicki-Schmerz-Score betrug initial 71. Während der 24-monatigen Beobachtungszeit fiel der Score in der chirurgisch behandelten Gruppe auf 25 im Vergleich zu 51 in der endoskopisch behandelten Gruppe (p < 0,001). Eine komplette oder partielle Schmerzlinderung am Ende der Beobachtungszeit wurde in 75 % bzw. 32 % der Fälle erreicht (p = 0,007). Auch die körperliche Gesundheit war in der chirurgisch behandelten Gruppe besser (p = 0,003). Die Komplikationsraten, die Krankenhausaufenthaltsdauer und Änderung der Pankreasfunktion waren in beiden Behandlungsgruppen ähnlich. Bei den endoskopisch behandelten Patienten waren jedoch häufiger Eingriffe erforderlich (Median 8 vs. 3; p < 0,001).

Folgerung: Die chirurgische Pankreasgangdrainage bei Patienten mit chronischer Pankreatitis ist effektiver als eine endoskopische Drainage. Bei Patienten mit einer weniger ausgeprägten Pankreatitis stellt die endoskopische Behandlung jedoch weiterhin eine wertvolle Alternative dar, so die Autoren.

N Engl J Med 2007; 356 : 676 - 684

Die chronische Pankreatitis führt zu drei wesentlichen Komplikationen: Schmerzen, exokrine und endokrine Insuffizienz. Für das Befinden der Patienten sind dabei die Schmerzen die größte Beeinträchtigung, und deren Linderung ist ein wesentliches Therapieziel. Ihre Genese ist nur partiell verstanden. Eine Behinderung des Abflusses des Pankreassekrets durch Strikturen und/oder intraduktale Konkremente mit schmerzhafter Erhöhung des Sekretdrucks oder auch eine entzündungsbedingte Reizung afferenter Nervenfasern werden diskutiert.

Endoskopischer und chirurgischer Therapieansatz. Der gestörte Sekretabfluss kann sowohl durch endoskopische Maßnahmen (Dilatation von Strikturen, Extraktion von Steinen mit und ohne Lithotripsie, Platzierung von Endoprothesen) als auch durch eine offene chirurgische Drainageoperation (Pankreatikojejunostomie) behandelt werden. Ein kontrollierter Vergleich beider Therapieansätze wurde bisher nur einmal vorgenommen (Endoscopy 2003; 35 : 553 - 558). Dieses ist die zweite, sehr viel sorgfältigere Studie. Es wird nachvollziehbar dargelegt, dass die offene Operation die Schmerzen über 2 Jahre signifikant häufiger aufhebt oder vermindert. Bestechend war, dass nur ein chirurgischer Eingriff jeweils mehreren nichtchirurgischen Interventionen gegenüberstand. Ist damit der endoskopische Therapieansatz obsolet? Die Antwort muss differenziert ausfallen, da auch jede individuelle Therapie nicht komplett dem Schema des kontrollierten Vergleichs unterworfen werden kann. In dieser Studie wurden technisch schwierige Situationen behandelt (nahezu 80 % der Patienten hatten Strikturen und Steine, davon mehrheitlich multiple mit einem mittleren Durchmesser von 11 mm). Entsprechend aggressiv und auch komplikationsträchtig war das Vorgehen erfahrener und auch risikobereiter Endoskopiker und „Lithotripteure”. Dennoch betrug die technische Erfolgsrate nur 53 %. Verglichen mit früheren Serien war der Erfolg der Chirurgie in dieser Studie hoch und der der Endoskopie relativ niedrig. Auch ist die Fallzahl der Studie klein.

Fazit. Trotz dieser Einschränkungen sollte eine Empfehlung aus den vorliegenden Daten abgeleitet werden. Patienten mit einer komplexen anatomischen Situation und chronischen Schmerzen sollten dem Viszeralchirurgen vorgestellt werden. Technisch einfache Situationen sollten weiterhin zunächst von einem erfahrenen Endoskopiker behandelt werden. Schmerzfreie Patienten bedürfen in der Regel keiner Intervention.

Erstpublikation in der Dtsch Med Wochenschr 2007; 132, Nr. 14

Prof. Dr. med. Tilman Sauerbruch

Medizinische Klinik und Poliklinik I

Universitätsklinikum Bonn

Sigmund-Freud-Straße 25

53105 Bonn

Email: tilman.sauerbruch@ukb.uni-bonn.de

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