Pädiatrie up2date 2007; 2(2): 125-148
DOI: 10.1055/s-2007-966494
Varia

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Differenzialdiagnose Hämaturie

Rolf  Beetz
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Publication Date:
31 May 2007 (online)

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Ein erwachsener Mensch verliert mit dem Urin täglich zwischen 30 000 und 2 000 000 Erythrozyten. Dies entspricht bei einer Urinausscheidung von 1,34 l/d etwa 1,5 Erythrozyten/μl/d [1]. Etwa 90 % der Normalpopulation scheiden weniger als 1 Erythrozyten/μl aus [2]. Die Obergrenze der normalen Erythrozytenausscheidung liegt zwischen 5 und 10 Erythrozyten/μl. Als Normgrenze wird im Allgemeinen eine Erythrozytenkonzentration von 5(-10)/ μl angegeben.

„Sport-Hämaturie”

Nicht immer muss eine Hämaturie > 5 Erythrozyten/μl pathologisch sein. So ist in der Sportmedizin bei Hochleistungen (z. B. Laufsportarten) eine vorübergehende Mikrohämaturie mit oder ohne Proteinurie bekannt, die ohne Krankheitswert ist. Nach einem 5-km-Lauf wiesen 83 von 90 Läufern eine im Vergleich zur Ausgangsuntersuchung erhöhte Erythrozyturie auf; bei 32 lag die Erythrozytenzahl außerhalb der Norm. Es fanden sich überwiegend dysmorphe Erythrozyten (s. unten), sodass eine glomeruläre Genese der „Sport-Hämaturie” angenommen werden kann [3]. Die „Sport-Hämaturie” besteht in der Regel während und in den ersten 1 - 2 Stunden nach der sportlichen Aktivität, kann aber bis zu 72 Stunden andauern [2]. Davon abzugrenzen ist die „Marsch-Hämoglobinurie”.

Rotfärbung des Urins bedeutet nicht unbedingt Makrohämaturie

  • Farbstoffe aus Lebensmitteln (z. B. Rote Bete/Anthocyanin, Brombeeren, Rhodamin B -, einem Farbstoff, der vielen Lebensmitteln beigefügt ist) sowie Medikamente können den Urin rötlich bis orange färben (Tab. [2]).

  • Porphyrinurie oder Myoglobinurie führen u. U. zu starker Braunfärbung des Urins, was eine Makrohämaturie vortäuscht.

  • Eine Uratausfällung im sauren, konzentrierten Urin kann einen rötlichen Niederschlag verursachen - besonders dann, wenn der Urin über längere Zeit steht (Abb. [1]).

  • Die Rotfärbung des Urins in der Windel eines Säuglings kann durch Serratia marcescens verursacht sein. Diese Chromobakterien produzieren unter anaeroben Bedingungen und Temperaturen zwischen 35 und 30 °C ein rotes Pigment, welches das „Red-Diaper-Syndrom” verursachen kann (Abb. [2]).

  • Vaginale Blutungen (bei Fremdkörper, Vulvovaginitis, Missbrauch, Menses, Genitaltrauma) können ebenfalls eine Makrohämaturie vortäuschen.

  • Es sind auch Einzelfälle von Münchhausen-by-proxy-Syndrom mit Zumischung von Blut zum Urin des Kindes durch ein Elternteil bekannt geworden.

Tabelle 1 Definitionen Hämaturie pathologisch erhöhte Ausscheidung von Erythrozyten (> 5(-10)/μl) bzw. Hämoglobin (entsprechend einem Hämoglobingehalt von > 5(- 10) Erythrozyten/μl) im Urin Erythrozyturie Ausscheidung von Erythrozyten im Urin Hämoglobinurie Ausscheidung von freiem Hämoglobin im Urin Mikrohämaturie mit bloßem Auge unsichtbare Hämaturie (im Allgemeinen < 1000 Erythrozyten/μl) Makrohämaturie mit bloßem Auge sichtbare Hämaturie Renale Hämaturie Blutungsquelle im Nierenparenchym (weitere Klassifikation in glomeruläre und postglomeruläre Hämaturie) Glomeruläre Hämaturie Ursprungsort der Erythrozyten ist das Glomerulum, wahrscheinlich bedingt durch Defekte der glomerulären Basalmembran Renale, extraglomeruläre Hämaturie Ursprungsort der Hämaturie kann das Tubulus- bzw. Sammelrohrsystem der Niere sein Postrenale Hämaturie Blutungsquelle im Bereich der ableitenden Harnwege Isolierte Mikro- oder Makrohämaturie Mikro-/Makrohämaturie ohne begleitende Proteinurie, Leukozyturie oder Bakteriurie

Abb. 1 Rotfärbung des Urins ohne Hämaturie: „Ziegelmehl-Sediment” bei hoher Uratausscheidung im konzentrierten, sauren Urin.

Abb. 2 Serratia marcescens in Kultur: Die auffällige Färbung der Bakterienkolonien kann bei günstigen Wachstumsbedingungen rötliche Flecken in der Windel verursachen („Red-Diaper-Syndrom”).

Literatur

Priv.-Doz. Dr. med. Rolf Beetz

Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Pädiatrische Nephrologie

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