Handchir Mikrochir Plast Chir 2007; 39(3): 189-194
DOI: 10.1055/s-2007-965328
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ist die ästhetische Chirurgie überhaupt noch Medizin? Eine ethische Kritik

Is Aesthetic Surgery Still Really Medicine? An Ethical CritiqueG. Maio1
  • 1Lehrstuhl für Bioethik, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg i. Br.
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Publication History

eingereicht 16.4.2007

akzeptiert 27.4.2007

Publication Date:
02 July 2007 (online)

Zusammenfassung

In den letzten Jahren versteht sich die ästhetische Chirurgie zunehmend als ein Dienstleistungsgewerbe, das die Wünsche ihrer Klienten zum Ausgangspunkt ästhetischer Interventionen macht. In ethischer Hinsicht stellt sich die Frage, ob es überhaupt gerechtfertigt sein kann, dass eine medizinische Sparte sich vom medizinischen Kernauftrag der Leidenslinderung verabschiedet und stattdessen ein reiner Dienstleistungsanbieter auf Wunsch wird. Im Beitrag werden die Argumente beleuchtet, die gegen eine unreflektierte Anbindung und Anbiederung der Medizin an die Beauty-Industrie sprechen. So läuft eine rein ökonomisch orientierte ästhetische Chirurgie Gefahr, Wünsche zu erfüllen und zugleich zu wecken, die in sich deswegen problematisch sein können, weil sie von der Ideologie der Jugendlichkeit und der Machbarkeit getragen werden. Vor allem macht sich eine solche „Chirurgie“ die Ideologien einer Leistungs- und Konsumgesellschaft zu nutze, um daraus Profit zu schlagen. Als Schlussfolgerung wird dafür plädiert, dass jeder ästhetische Chirurg in aufrichtiger Weise darum wirbt, den Wert des Menschen nicht auf seine äußere Erscheinung zu reduzieren. So lange die ästhetische Chirurgie durch ihre Marktorientierung diese aufrichtige Aufklärungsarbeit vernachlässigt, wird sie sich als genuin ärztliche Institution mittelfristig abschaffen.

Abstract

Aesthetic surgery has evolved in the past years from a genuine medical practice to a mere commodity. From an ethical point of view one must ask whether this evolution creates more problems than it solves. The present paper elaborates four arguments against this evolution and shows that an aesthetic surgery which works only according to market categories runs the risk of losing the view for the real need of patients. An aesthetic surgery that understands itself as part of a market will be nothing else than a part of a beauty industry which has the only aim to sell something, but not the aim to help people. Such an aesthetic surgery makes profit from the ideology of a society that serves only vanity, youthfulness and personal success and which is losing the sight for real values. The real value of man cannot be reduced to its appearance and medicine as an art should feel the obligation to resist these modern ideologies and should help people to get a more authentic attitude to themselves. If aesthetic surgery fails to think about these implications it will lose its identity as medicine which would be a too great loss.

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Prof. Dr. med. Giovanni Maio

Lehrstuhl für Bioethik
Institut für Ethik und Geschichte der Medizin
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Stefan-Meier-Straße 26

79104 Freiburg i. Br.

Email: giovanni.maio@uniklinik-freiburg.de

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