Handchir Mikrochir Plast Chir 2007; 39(2): 124-127
DOI: 10.1055/s-2007-965222
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Handinfektion als Folge einer Bagatellisierung von Minimalverletzungen

Hand Infections Resulting from Underestimation of Minimal InjuriesB. Reichert1 , P. Oeynhausen-Petsch2 , P. Mailänder2
  • 1Klinik für Plastische, Wiederherstellende und Handchirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte, Klinikum Nürnberg Süd, Nürnberg
  • 2Sektion Plastische Chirurgie, Handchirurgie, Intensiveinheit für Schwerbrandverletzte, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
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Publication History

eingereicht 29.1.2007

akzeptiert 28.3.2007

Publication Date:
14 May 2007 (online)

Zusammenfassung

Häufige Ursachen von Handinfektionen sind initial bagatellisierte Minimalläsionen. Dass eine effektive Lokaltherapie trotz manifester Infektionszeichen oftmals verschleppt wird, ist eine Konsequenz dieser Fehleinschätzung. Wir haben postuliert, dass bestimmte Verletzungsformen mit einer besonders hohen Neigung zur Bagatellisierung korrelieren. Zur Prüfung dieser Hypothese wurden die Behandlungsverläufe von 105 in den Jahren 2001 bis 2003 stationär und operativ behandelten Patienten prospektiv erfasst und analysiert. Abhängig von der Latenz zwischen Trauma und dem Beginn unserer Behandlung haben wir diese Patienten in zwei Gruppen unterteilt (Schwellwert 48 Stunden). Kriterien, die in der Gruppe der besonders langen Behandlungsverzögerung signifikant häufiger gefunden wurden, waren Verletzungsformen, die Folge von Schnitt- oder Stichverletzungen sowie oberflächlich und punktförmig waren. Außerdem wurden hier stärkere Schmerzintensitäten angegeben und Lymphknotenschwellungen häufiger gefunden. Ferner fanden sich in dieser Gruppe vermehrt Patienten, die uns erst nach externer Vorbehandlung zugewiesen worden waren. Auch mussten im Vergleich mehr Operationen erfolgen. Abgeleitet aus diesen Befunden kann mithilfe eines Scoring-Systems ein Maß für den potenziellen Grad der Fehleinschätzung errechnet werden. Damit steht ein Instrument zur Verfügung, das bei der Entscheidungsfindung helfen kann, einen Patienten frühzeitig in ein handchirurgisches Zentrum zur Mitbehandlung zu überweisen.

Abstract

Frequently, the timely onset of adequate treatment is delayed when a hand infection is the result of minor trauma. The patients as well as the physicians are tempted to underestimate this complication. To prove that certain forms of trauma correlate with the degree of underestimation, we have prospectively studied the cases of 105 patients who required hospitalisation and surgical interventions between 2001 and 2003. We defined a cut-off point at 48 hours following trauma and differentiated between patients who appeared within this period from those who came later. Lesions at the fingertips, superficial and punctual injuries were more frequent among patients belonging to the group with the longer delay of treatment onset. Also pain was more intense and swelling of axillary lymph nodes was seen in this group more often. Patients who had been treated elsewhere before, were commonly found in this group as well. Patients who came within 48 hours following trauma required less surgical procedures. Also hospitalisation was shorter. Using a discriminant analysis, we calculated a linear equation to calculate a score, which helps to assess the individual degree of underestimation. This scoring system can help to identify patients who would benefit from early surgical treatment of the hand.

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Priv.-Doz. Dr. med. Bert Reichert

Klinik für Plastische, Wiederherstellende und Handchirurgie
Zentrum für Schwerbrandverletzte
Klinikum Nürnberg-Süd

Breslauer Straße 201

90471 Nürnberg

Email: bert.reichert@klinikum-nuernberg.de

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