Viszeralchirurgie 2007; 42(1): 49-50
DOI: 10.1055/s-2007-958713
Das viszeralchirurge Prüfungsgespräch

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Hyperparathyreoidismus

HyperparathyreoidismC. Dotzenrath 1
  • 1Klinik für St.Antonius-Kliniken Allgemeine und Endokrine Chirurgie
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Publication Date:
23 March 2007 (online)

Eine 72jährige Patientin klagt über ein Schwächegefühl, vermehrte Ermüdbarkeit und Knochenschmerzen. Anamnestisch hatte sie vor 8 Jahren Nierensteine. Eine auswärtig durchgeführte Serumcalciumbestimmung zeigt einen Wert von 2,6 mmol/l (Normwert 2,1-2,6).

a) An welche Erkrankungen und welche DD denken Sie?

b) Wie sollte die Abklärung einer solchen Patientin erfolgen?

a) In Anbetracht des Alters der Patientin und des grenzwertig hohen Serumcalcium kann es sich um altersbedingte Beschwerden verbunden mit einer ausgeprägten Osteoporose handeln, DD sollte an einen primären Hyperparathyreoidismus gedacht werden.

b) Nach einer nochmaligen Serumcalciumkontrolle sollten das intakte Parathormon sowie Nierenwerte und evt. das Serumphosphat bestimmt werden.

Die Kontrolle des Serum-Calciums ergibt einen Wert von 2,6 mmol/l bei einem intakten Parathormon von 150 pg/ml (Normwert 10-65 pg/ml). Nierenwerte sind im Normbereich. Das Phosphat ist erniedrigt.

a) Liegt ein primärer Hyperparathyreoidsmus vor?

b) Muss die Patientin operiert werden, obwohl das Serumcalcium noch im Normbereich liegt?

Die Diagnose ist durch das hoch normale Serumcalcium und das deutlich erhöhte Parathormon bestätigt. Es handelt sich um einen sogenannten normocalcämischen Hyperparathyreoidismus. Aufgrund der Symptomatik der Patientin (neurologische Symptome, Nierensteine, Knochenschmerzen) ist die Indikation zur Operation gegeben. Jedoch wird auch bei asymptomatischen Patienten die Operation empfohlen, da nachgewiesen werden konnte, dass die meisten „asymptomatischen” Patienten doch mehr oder weniger ausgeprägte kognitive Veränderungen haben.

Muss vor der Operation eine Lokalisationsdiagnostik durchgeführt werden?

Eine Lokalisationsdiagnostik ist erforderlich wenn ein minimalinvasiver Eingriff geplant ist. Die Lokalisationsdiagnostik dient nicht dazu, die Diagnose eines Hyperparathyreoidismus zu sichern.

Welche Lokalisationsdiagnostiken sind indiziert?

Die Sonographie ist die kostengünstigste Untersuchung, die jedoch in ihrer Aussagekraft von der Erfahrung des Untersuchers abhängig ist. Beim erfahrenen Untersucher liegt die Erfolgsrate bei 70%. Die Ultraschalldiagnostik ist in jedem Fall indiziert um möglicherweise gleichzeitig bestehende Knoten in der Schilddrüse zu diagnostizieren. Das aussagekräftigste Verfahren ist heutzutage die Sesta-MIBI-Szintigraphie. Auch hier liegt die Erfolgsrate von der Erfahrung des Untersuchers ab. In ausgewiesenen Zentren liegt sie bei 80-90%.

CT, MRT und selektiver Halsvenenkatheter haben wesentlich schlechtere Ergebnisse und sind nur noch bei Rezidiveingriffen und negativem Sesta-MIBI-Szintigraphie indiziert.

Welche Operationsverfahren kennen Sie?

Das konventionelle bilaterale Verfahren ist auch heute noch das Standardoperationsverfahren. Hier werden alle 4 Nebenschilddrüsen dargestellt und die vergrößerte(n) entfernt.

Bei minimal-invasiven Verfahren ist die Voraussetzung eine positive Lokalisationsdiagnostik. Ausschlusskriterien sind Rezidiveingriffe, größere Knotenstrumen und ein V.a. Mehrdrüsenerkrankung. Das Prinzip des minimal-invasiven Eingriffs besteht darin, die präoperativ lokalisierte Nebenschilddrüse gezielt aufzusuchen und zu entfernen. Neben der notwendigen positiven Lokalisationsdiagnostik ist die Durchführung einer intraoperativen Parathormonbestimmung vor und nach Entnahme der Nebenschilddrüse(n) zwingende Voraussetzung für dieses Verfahren. Es gibt mehrere minimal-invasive Verfahren: das sogenannte „offene Verfahren” und das videoassistierte Verfahren werden am häufigsten angewandt.

Selbstverständlich ist die Bestimmung des intraoperativen Parathormons auch beim konventionellen Eingriff eine exzellente Qualitätskontrolle, wenn sie auch nicht unbedingt erforderlich ist.

Wie häufig sind primäre Mehrdrüsenerkrankungen und welche Operationsverfahren kennen sie?

Ca. 15% aller Patienten mit primärem Hyperparathyreoidsmus haben eine Mehrdrüsenerkrankung, davon nur ca. 3% ein Doppeladenom.

Bei der Vierdrüsenerkrankung (MEN-1 assoziiert oder nicht) sind die subtotale Parathyreoidektomie unter Belassung eines Teils der kleinsten Nebenschilddrüse sowie die totale Parathyreoidektomie mit Autotransplantation von ca. 10 mm großen Stückchen der kleinsten Nebenschilddrüse in den M. brachio radialis die Standardverfahren. Bei beiden Verfahren muss zusätzlich eine transcervikale Thymektomie durchgeführt werden. Außerdem ist die Kryopräservierung von Gewebe obligat.

Wann muss eine genetische Untersuchung auf das Vorliegen eines MEN-I-Syndroms durchgeführt werden?

Bei allen Patientin mit einer primären Vierdrüsenerkrankung sollte postoperativ eine genetische Untersuchung auf Vorliegen eines MEN-I-Syndroms durchgeführt werden.

Ist die Durchführung einer Lokalisationsdiagnostik beim renalen autonomen Hyperparathyreoidismus erforderlich?

Nein, die Mibiszintigraphie zeigt nur die größte(n) Nebenschilddrüse(n).

Sollte beim renalen autonomen Hyperparathyreoidismus eine intraoperative Parathormonbestimmung durchgeführt werden, um möglicherweise überzählige Nebenschilddrüsen zu diagnostizieren?

Die intraoperative Parathormonbestimmung hat beim renalen autonomen Hyperparathyreoidismus keine Bedeutung, sie hilft nicht, überzählige Nebenschilddrüsen zu entdecken. Ein Abfall des Parathormonwerts auf unter 50% des Ausgangswerts ist in keinem Fall ausreichend als Erfolgskontrolle.

Welche Operationsverfahren kennen Sie beim renalen autonomen Hyperparathyreoidsmus?

Die subtotale Parathyreoidektomie sowie die totale Parathyreoidektomie mit Autotransplantation sind gleichwertige Standardverfahren. Bei beiden Verfahren muss zusätzlich eine transcervikale Thymektomie durchgeführt werden. Außerdem ist die Kryopräservierung von Gewebe obligat. Aufgrund der hohen Rezidivrate wird zur Zeit die totale Parathyreoidektomie ohne Autotransplantation und ohne transcervikale Thymektomie von einigen Zentren favorisiert. Eine Multicenterstudie ist bereits im Vorlauf.

Wie verfahren Sie beim Rezidiv eines renalen autonomen Hyperparathyreoidismus?

Primär wichtig ist die genaue Kenntnis des Operationsberichtes, d. h. welches Verfahren bei der Voroperation gewählt wurde sowie die Kenntnis der Histologie der einzelnen Nebenschilddrüsen, um sicher zu gehen, dass die Nebenschilddrüsen, die im Operationsbericht entfernt wurden, auch tatsächlich als solche verifiziert wurden. Hauptursache des Rezidivs nach subtotaler Parathyreoidektomie ist eine inkomplette Operation, d. h. es wurden weniger als 31/2 Nebenschilddrüsen entfernt. Weitere Ursachen können überzählige Nebenschilddrüsen, hypertrophierte Reste von Nebenschilddrüsen oder das sog. „Neoblastic seeding” sein, das nach Verletzung einer Nebenschilddrüsenkapsel bei Primäroperation entsteht. Auch hier ist wiederum die Sesta-MIBI-Szintigraphie das beste Lokalisationsverfahren. Nach totaler Parathyreoidektomie mit Autotransplantation kann es sich um ein transplantatabhängiges Rezidiv oder ein cervikales Rezidiv handeln. Auch hier ist die Sesta-MIBI-Szintigraphie sinnvoll. Es kommt jedoch auch vor, dass sowohl das Autotransplantat hyperplastisch ist, als auch noch verbliebenes Gewebe am Hals vermehrt Parathormon produziert.

Kann man zwischen einem transplantabhängigen Rezidiv und einem cervikalen Rezidiv differenzieren?

Neben der Sesta-MIBI-Szintigraphie kann hier auch der Casanovatest durchgeführt werden. Bei dem Casanovatest wird eine Blutsperre am transplantattragenden Arm angelegt. 20 Minuten nach Anlage der Blutsperre wird am anderen Arm Blut zur Parathormonbestimmung abgenommen. Der hier bestimmte Wert entspricht nun der cervikalen Parathormonproduktion.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. C. Dotzenrath

Klinik für Allgemeine und Endokrine Chirurgie

St. Antonius-Kliniken Vogelsangstr. 106

42109 Wuppertal

Phone: +49/202/299 34 55

Fax: +49/202/299 34 55

Email: dotzenr@uni-duesseldorf.de

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