RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-2007-1032338
Medikamentenabhängigkeit im Krankenhaus
Hintergrund: Medikamentenabhängigkeit ist eine Störung mit hoher Prävalenz. Diesem häufigen Auftreten steht eine hohe Rate Unbehandelter gegenüber. Das Allgemeinkrankenhaus stellt einen Ort dar, der aus unterschiedlichen Gründen hervorragende Bedingungen für die Einleitung von Interventionen bei Medikamentenabhängigen bietet: (1) Befunde einer ersten Prävalenzstudie belegen, dass die Häufigkeit von Medikamentenabhängigkeit mit 4,2% bei KrankenhauspatientInnen erhöht ist. (2) Bei einem Teil der Betroffenen treten erstmals während der Krankenhausaufnahme Entzugserscheinungen auf. (3) Der stationäre Aufenthalt stellt einen „Teachable Moment“ dar, was bedeutet, dass die Betroffenen besonders empfänglich für Hilfeangebote sind und die Änderungsbereitschaft erhöht ist.
Methode: Teilnehmer sind Personen zwischen 18 und 70 Jahren. Bei positivem Screeningresultat erfolgt eine vertiefende Diagnostik nach dem DSM-IV mit dem M-CIDI (angestrebtes N=128). Nach randomisierter Zuweisung zu zwei Gruppen schließt sich in der Interventionsgruppe für die PatientInnen eine mehrfache Beratung (persönlich, telefonisch und schriftlich) auf der Grundlage des Motivational Interviewing an, mit dem Ziel das jeweilige Medikament in Kooperation mit dem Hausarzt auszuschleichen oder zu reduzieren. (2) In der Kontrollgruppe wird keine Beratung durchgeführt („treatment as usual“). Die Effektivität der Intervention wird in einer 3- und 12-Monats-Katamnese geprüft.
Ergebnisse: In einer ersten Vorstudie (MedAk) zeigte sich, dass sich 21% der Medikamentenabhängigen gedanklich mit einer Änderung ihres Medikamentenkonsums beschäftigen (Stadium der Absichtbildung) und 19% bereits eine Änderung planen (Stadium der Vorbereitung). Es wird erwartet, dass die Intervention zu einer höheren Rate von Absetzversuchen sowie einer höheren Abstinenzrate führt. Es werden international erstmalig Ergebnisse zur Effektivität einer Kurzintervention bei proaktiv rekrutierten Medikamentenabhängigen anhand des 3-Monats-follow-ups berichtet.
Schlussfolgerungen: Diese Daten schaffen damit eine Basis, Interventionsangebote für Medikamentenabhängige als Routine in Allgemeinkrankenhäusern zu implementieren. Dadurch wird eine deutliche Verbesserung der Versorgungslage dieser unterversorgten Zielgruppe aus bevölkerungsbezogener Sicht erreicht. Darüber hinaus werden wichtige Daten jener Medikamentenabhängigen gesammelt, die nicht in Behandlung gehen und über die somit kaum Wissen vorliegt.