Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P72
DOI: 10.1055/s-2007-1032260

Botulinumtoxinbehandlung der Hüftbeugespastik bei älteren Kindern und bei Erwachsenen – Erfahrungsbericht über 22 Patienten

A Stenner 1, G Reichel 1, W Hermann 1
  • 1Zwickau

Fragestellung: Eine spastische Hüftbeugung behindert das Gehen und Stehen, die Lagerung, die Hygiene im Intimbereich und sexuelle Aktivitäten. Bei gehfähigen Patienten kommt es zur Hüftbeugung mit Vorwärtsbeugung des Körpers und Verkürzung des kontralateralen Schrittes. Während bei kleinen Kindern zur Therapie mit Botulinumtoxin (Btx) der ventrale Zugang bevorzugt wird, erscheint bei größeren Kindern und Erwachsenen der dorsale Zugang sicherer. Bisher gibt es keine Erfahrungsberichte über die Wirksamkeit und Langzeitanwendung bei Erwachsenen.

Methodik: Wir behandelten 22 Patienten mit Hüftbeugespastik mit Btx über einen Zeitraum von 9 Monaten bis 8 Jahren. Die Injektion erfolgte nach Identifizierung des Muskelbauches des M. psoas major mittels Bildgebung und Ausmessung des Abstandes zwischen Haut und Muskelmitte (Abb.1 A-B) und des Abstandes zwischen Proc. spinosus und der auf die Haut projizierten Muskelmitte (Abb.1 B-C). Nach lokaler Anästhesie wurde eine Kanüle auf der Höhe des Proc. spinosus eingestochen und bis zur Muskelbauchmitte vorgeschoben (Abb.2). Durch Hüftbeugung wurde elektromyographisch die Lage im Muskel nochmals gesichert. Bei allen Patienten erfolgte eine physiotherapeutische Behandlung.

Ergebnisse: Der jüngste behandelte Patient war 8 Jahre alt, der älteste 67. Diagnostisch handelte es sich um folgende Erkrankungen: ICP, MS, Rett-Syndrom, zervikale Myelopathie, Hirnschaden nach Enzephalitis oder Hypoxie, SHT, HWK 4-Fraktur, spastische Spinalparalyse. Die Dosis betrug bei Kindern bei 1ml, bei Erwachsenen bei 2ml (1ml entspricht 50 MU Botox°). Die Anzahl der Injektionen lag zwischen 3 und 21. Bei beiderseitiger Psoasspastik wurde anfangs beiderseits injiziert, später wurde nur die mehr betroffene Seite behandelt, ohne dass der Effekt spürbar geringer war. Bei 4 Patienten (alle mit ICP) konnte nach 5 bis 8 Injektionen erst das Behandlungsintervall wegen anhaltender Wirkung verlängert werden und dann die Behandlung gänzlich eingestellt werden. Bei jüngeren Patienten war die optimale Höhe der Injektion bei L3, bei älteren bei L4. Die Einstichtiefe variierte bei Erwachsenen wenig. Es gab keinen Behandlungsabbruch wegen zu geringer Wirkung oder wegen Nebenwirkungen.

Schlussfolgerungen: Die durch Bildgebung und Elektromyographie gestützte dorsale Injektion von Btx in den M. psoas major hat sich bei der Behandlung der Hüftbeugespastik auch langzeitig bewährt. Sie ist wenig aufwendig, den Patienten kaum belastend und sehr effektiv.