Zusammenfassung
Epidemiologische Untersuchungsergebnisse haben gezeigt, daß die Gestagenkomponente
in den oralen Kontrazeptiva an der Entstehung von Hochdruck, ischämischen Herzerkrankungen
und Schlaganfällen beteiligt ist. Es war angenommen worden, daß atherosklerotische
Veränderungen aufgrund der ungünstigen Wirkung von Gestagenen mit androgenen Eigenschaften
aufden Fettstoffwechsel dabei eine kausale Rolle spielen. Es hat sich jedoch gezeigt,
daß es trotz erniedrigtem HDL und erhöhtem LDL nicht zur Atherosklerose kommt, vermutlich
wegen der Induktion der hepatischen LDL- und Remnant-Rezeptoren durch die starke Wirkung
des Ethinylestradiols auf die Leber. Eine Reihe von experimentellen und klinischen
Befunden deutet darauf hin, daß Vasospasmen als Folge des vasokonstriktorischen Effekts
der Gestagene kausal an der Entstehung arterieller Thrombosen beteiligt sind. Auch
bei postmenopausalen Frauen, insbesondere bei bestehenden vaskulären Läsionen, kann
die zusätzliche Gabe eines Gestagens zur Östrogenbehandlung ischämische Erkrankungen
auslösen. Östrogene haben einen sehr ausgeprägten vasodilatatorischen Effekt und stabilisieren
den Tonus - durch Änderung der Sensitivität von Endothel und glatten Muskelzellen
gegenüber vasoaktiven Substanzen, durch Beeinflussung der Freisetzung der Neurotransmitter
aus den Nervenendigungen und durch direkte Blockierung der Kalziumkanäle. Diese Wirkungen
sind wesentlich von einem intakten Endothel abhängig. Durch einen direkten Effekt
auf die Gefäßwand steigern Gestagene die Sensitivität der Arterien gegenüber vasokonstriktorischen
Substanzen und verringern die Durchblutung. Da Aldosteron die Zahl der ß-Rezeptoren
in den glatten Muskelzellen erhöht und damit vasodilatatorisch wirkt, kann nicht ausgeschlossen
werden, daß Gestagene mit hoher Affinität zum Aldosteronrezeptor und antimineralokortikoiden
Eigenschaften einen verstärkten vasokonstriktorischen Effekt haben. Insbesondere bei
vorhandenen Gefäßschäden kann ein Überwiegen der vasokonstriktorischen Wirkung der
Gestagene akute ischämische Erkrankungen auslösen. Aus diesem Grund sollte bei der
Substitutionstherapie die niedrigste effektive Dosis des Gestagens angewandt werden
und bei hysterektomierten Frauen auf eine Gestagengabe verzichtet werden. Auch bei
der oralen Kontrazeption sollte nicht nur die Dosis des Ethinylestradiols, sondern
auch die des jeweiligen Gestagens so weit wie möglich reduziert werden. Die Anwendung
gestagendominanter Ovulationshemmer sollte auf besondere Zusatzindikationen beschränkt
werden.
Abstract
Epidemiological data have demonstrated, that the progestogen component of oral contraceptives
is involved in the development of hypertension, ischaemic heart diseases and stroke.
It had been suggested, that atherosclerotic lesions due to the unfavourable effect
on lipid metabolism of progestogens with androgenic properties, play a causal role.
It has, however, been shown, that there is no development of atherosclerosis despite
reduced HDL and elevated LDL, presumably because of the induction of hepatic LDL-
and remnant-receptors by the strong effect of ethinyl-oestradiol upon the liver. A
series of experimental and clinical fmdings indicates that vasospasms caused by the
vasoconstrictory effect of progestogens are involved in the development of arterial
thromboses. In postmenopausal women, the additional administration of progestogens
to the oestrogen treatment may trigger ischaemic diseases, particularly in the presence
of vascular lesions. Oestrogens exercise a pronounced vasodilatory effect and stabilize
the vascular tonus - through changes in the responsiveness of endothelium and smooth
muscle cells to vasoactive compounds, through modulation of neurotransmitter release
from nerve endings, and through direct blocking of calcium Channels. The effects depend
essentially on an intact endothelium. By a direct action on the vascular wall, progestogens
increase the sensitivity of arteries to vasoconstrictory compounds and reduce blood
flow. As aldosterone increases the number of ß-adrenergic receptors in the arterial
smooth muscle cells and thus act vasodilatorily, it cannot be excluded, that progestogens
with high affinity to the aldosterone receptor and antimineralocorticoid properties,
may exert a strong vasoconstrictory effect. If vascular lesions are present, predominance
of the vasoconstrictory action of progestogens may cause acute ischaemic attacks.
Therefore, the lowest effective dose of the progestogen has to be used for replacement
therapy, and in hysterectomized women, the additional administration of progestogens
should be avoided. Similarly, not only the dose of ethinylestradiol, but also that
of the respective progestogen in oral contraceptives should be reduced as far as possible.
The use of progestogen-dominant ovulation inhibitors should be restricted to cases
with an additional indication.