Klin Padiatr 1991; 203(4): 284-295
DOI: 10.1055/s-2007-1025443
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Störungen des Membranskeletts der Erythrozyten bei hereditärer Sphärozytose und Elliptozytose: Bedeutung des molekularen Defektes für Pathogenese und klinischen Schweregrad*

Correlation between the clinical severity, erythrocyte morphology and abnormal membrane skeleton in hereditary spherocytosis and elliptocytosisS. W. Eber
  • Universitäts-Kinderklinik Göttingen
* Nach einem Vortrag, gehalten auf der 36. Tagung der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie, Frankfurt, 30. 11. bis 1. 12. 1990.
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Publication Date:
13 March 2008 (online)

Abstract

During recent years an increasing number of inherited variants of erythrocyte membrane proteins and defects of the membrane skeleton could be described. Mostly these defects explain the pathogenesis of hemolytic anemias due to erythrocyte membrane defects. For hereditary spherocytosis and elliptocytosis a close correlation between the clinical severity and the biochemical defect was found; thus biochemical characterization can give valuable information about the expected course of the disease and the need for splenectomy. The erythrocyte membrane skeleton stretches along the inner surface of the membrane; it provides the stability of the erythrocyte under circulatory shear stress. The membrane skeleton consists of spectrin, actin, band 4.1 and band 4.9. Spectrin is the major component. In the membrane mostly all spectrin self-associates to the tetrameric form: one tetramer is formed by two α and two β- chains. By denaturating SDS polyacrylamide gelelectrophoresis the composition of the membrane proteins can be analysed. The portion of tetrameric and dimeric spectrin is determined on native agarose gel electrophoresis. The concentration of spectrin in the membrane can be measured by an enzyme linked immunosorbent assay using monoclonal antibodies against human spectrin. By polymerase chain reaction and DNA sequencing the moleculargenetic cause of singular membrane defects was clarified. Hereditary spherocytosis was mostly due to a more or less diminished concentration of spectrin. Based on hematological, clinical and biochemical observations, a new classification of spherocytosis (mild, moderate and severe form) is proposed. In addition to routine hematologic determinations and osmotic fragility, erythrocyte spectrin content is taken into account. The disease severity correlates with the diminution of spectrin. In hereditary elliptocytosis the concentration of tetrameric spectrin is reduced in about 30% of the patients. Defects of the N-terminal α I 80 000 dalton peptide are predominantly found. The defective αchain can be further studied by analysis of "tryptic" peptides after limited tryptic digestion of the spectrin. According to the reduced molecular weight of the anomalous tryptic α I peptide the variant spectrin αchains are designed as Spectrin αI/46, Sp αI/50, Sp αI/65, Sp αI/74 and SpαI/78. In most cases a single amino acid substitution of the α chain could be proven. Until now only singular patients with hereditary elliptocytosis due to a shortened spectrin β chain have been described. The shortening of theβ chain is due to a loss of the C-terminal phosphorylated peptide. The molecular cause is a defect at the 3'end of the β spectrin gen, resulting in a premature termination of the peptide chain-synthesis. The indication for splenectomy should be very restricted. Patients with severe spherocytosis and elliptocytosis who are regularly transfused, should be splenectomized in early childhood - not under the age of 2 years. Patients with a moderate spherocytosis should be splenectomized only if recurrent, severe, transfusion dependent hemolytic crises occur and a decrease of vitality and physical ability caused by chronic hemolytic anemia persists.

Zusammenfassung

In den letzten Jahren konnte eine stetig zunehmende Zahl von genetisch bedingten Varianten von Membranproteinen der Erythrozyten und Defekten eines membranassoziierten Netzwerkes (Membranskelett) nachgewiesen werden. Diese Untersuchungen haben die Pathogenese hämolytischer Anämien infolge von Erythrozyten- Membrandefekten vielfach aufgeklärt. Besonders bei der hereditären Sphärozytose und Elliptozytose besteht eine enge Beziehung zwischen dem klinischen Schweregrad und dem jeweiligen Defekt, so daß die biochemische Charakterisierung oftmals eine Aussage über den zu erwartenden Verlauf der Erkrankung und die Notwendigkeit der Splenektomie erlaubt. Das Erythrozytenmembranskelett erstreckt sich an der inneren Oberfläche der Erythrozytenmembran und ist für ihre Stabilität unter der Scherkraftbelastung im Kreislauf verantwortlich. Es besteht aus den Proteinen Spektrin, Aktin, Bande 4.1 und Bande 4.9. Spektrin ist das Hauptmembranprotein und liegt nahezu ausschließlich in tetramerer Form vor: ein Tetramer besteht aus 2 α- und 2 β-Spektrinketten. Mit Hilfe denaturierender SDS-Polyacrylamid- Gelelektrophoresen und nativer Agarose-Gelelektrophoresen kann die Zusammensetzung der Membranproteine analysiert werden. Das Verhältnis von tetramerem Spektrin zu dimerem Spektrin wird auf nativen Agarose- Gelelektrophoresen bestimmt. Die Konzentration von Spektrin wird am besten mit einem ELISA unter Verwendung monoklonaler Antikörper gegen humanes Spektrin gemessen. Mit Hilfe der Polymerase Kettenreaktion und DNA Sequenzierung konnte die molekulargenetische Ursache einzelner Membranproteindefekte aufgeklärt werden. Die meisten Fälle von hereditärer Sphärozytose können auf einen deutlich verminderten Gehalt an Spektrin zurückgeführt werden. Aufgrund unserer klinisch-hämatologischen und biochemischen Untersuchungen wird eine neue Einteilung der hereditären Sphärozytose (leichte, mittelschwere und schwere Form) vorgeschlagen, die neben den klassischen Untersuchungsmethoden (Zeichen der gesteigerten Hämolyse, osmotische Resistenz) auch die Konzentration von Spektrin berücksichtigt. Die Erkrankung verläuft um so schwerer, je niedriger die Spektrin-Konzentration der Erythrozyten ist. Die hereditäre Elliptozytose kann in ca. 30% der Fälle auf eine gestörte Tetramerisierung von Spektrin zurückgeführt werden. Meistens liegen Defekte des N-terminalen 80000 Dalton schweren αl-Peptids vor. Die defekte α-Kette kann durch Analyse der Peptide nach begrenzter tryptischer Verdauung des Spektrins näher charakterisiert werden. Nach dem veränderten Molekulargewicht des anomalen tryptischen αl Peptids werden die Varianten Spektrin α-Ketten als Spektrin αI/46, Sp αI/50, Sp αI/65, Sp αl/74 und Sp αl/78 bezeichnet. Für die Mehrzahl der Varianten α-Ketten konnte ein spezieller Austausch einer Aminosäure in der Peptidsequenz nachgewiesen werden. Bisher wurden nur wenige Patienten mit hereditärer Elliptozytose infolge einer verkürzten β- Spektrinkette beschrieben. Die Verkürzung der β-Kette ist auf den Verlust des C-terminalen phosphorylierten Peptids zurückzuführen. Molekulare Ursache dafür ist ein Defekt am 3'Ende des β-Spektringens, der zu einem vorzeitigen Kettenabbruch in der Peptidsynthese führt. Die Indikation zur Splenektomie wird zunehmend zurückhaltender gestellt. Die Patienten mit der schweren Sphärozytose und Elliptozytose, die regelmäßig transfundiert werden müssen, sollten im Kleinkindesalter - nicht vor dem 3. Lebensjahr - splenektomiert werden. Bei Patienten mit mittelschwerer Sphärozytose ist die Splenektomie nur in den Fällen erforderlich, in denen aufgrund schwerer hämolytischer Krisen rezidivierende Transfusionen erforderlich sind und eine ausgeprägte Leistungsminderung infolge der chronischen hämolytischen Anämie besteht.

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