Geburtshilfe Frauenheilkd 1995; 55(9): 518-525
DOI: 10.1055/s-2007-1022831
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zytogenetische Anomalien in Spermien: Ein Risikofaktor bei Anwendung reproduktionsmedizinischer Techniken?*

Cytogenetic Anomalies in Spermatozoa: A Risk Factor for the Application of Assisted Reproductive Technologies?B. Rosenbusch, E. Strehler, K. Sterzik, R. Kreienberg
  • Abt. Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universität Ulm (ärztl. Direktor: Prof. Dr. med. R. Kreienberg)
* Als Poster präsentiert auf dem 50. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, München, 23. - 27. August 1994.
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

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Zusammenfassung

Um bei männlichen Fertilitätsstörungen die Befruchtung einer Eizelle zu erzielen, werden zunehmend Verfahren der Mikroinsemination angewendet. Diese ermöglichen den Spermien unter Umgehung von Cumulus oophorus und Zona pellucida einen direkten Kontakt mit der Plasmamembran bzw. dem Zytoplasma der Oozyte. Daraus erwächst folgende Problematik:

  1. Bei subfertilen Männern wird ein Zusammenhang zwischen beeinträchtigter Form und Funktion sowie vermehrten zytogenetischen Aberrationen der Gameten befürchtet.

  2. Kumulus und Zona selektieren morphologisch bzw. funktionell abnorme Spermatozoen.

  3. Der Wegfall von Selektionsmechanismen könnte folglich zu einer Erhöhung der Rate abnormer Embryonen, vermehrten Aborten und Geburten von kranken oder behinderten Kindern führen.

Eine zytogenetische Analyse der Spermatozoen ist nach deren Fusion mit zonafreien Hamstereizellen sowie durch die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung möglich. Beide Verfahren erbrachten keinen Hinweis auf eine Zunahme chromosomaler Veränderungen in den Gameten subfertiler Männer mit normalem somatischen Karyotyp. Der Umfang der Daten ist jedoch gering und die Aussagekraft eingeschränkt. Dies gilt auch für Korrelationsberechnungen, denen zufolge kein Zusammenhang zwischen Motilität bzw. Morphe und dem chromosomalen Zustand der Spermien besteht. Die Häufigkeit der Anomalien unter den Geburten nach Mikroinsemination erscheint im Vergleich zur konventionellen IVF nicht erhöht. Eine statistische Absicherung ist aufgrund der Fallzahlen noch nicht möglich. Daneben existieren Berichte über eine verminderte morphologische Qualität, geringere Implantationserfolge und frühen Abort von Embryonen, die durch Mikroinsemination entstanden. Dies würde bedeuten, daß dank einer effektiven natürlichen Selektion abnormer Embryonen kaum mit einer signifikanten Zunahme von Fehlbildungen in der Folgegeneration zu rechnen ist. Die Entstehung von Embryonen eingeschränkter Qualität läßt wiederum die Beteiligung zytogenetischer Faktoren vermuten und stünde damit im Widerspruch zu den bisherigen Analysen der Spermien. Zudem sollton die Auswirkungen einer gesteigerten Abortrate auf die Patienten, z.B. enttäuschte Erwartungen und hohe Kosten infolge wiederholter Versuche, beachtet werden. Aus diesen Gründen sind weitere Untersuchungen der Keimzollchromosomen subfertiler Patienten ebenso anzuraten wie die intensive genetische Überwachung der erzielten Schwangerschaften und Geburten.

Abstract

Microinsemination techniques are increasingly applied to achieve fertilisation of the oocyte in cases of male fertility disorders. Thus, spermatozoa can directly interact with the oolemma or the ooplasm, thereby obviating the need for penetration through cumulus oophorus and zona pellucida. However, problems associated with this particular feature arise in view of the following considerations:

  1. The gametes from subfertile males are suspected to carry more cytogenetic anomalies in addition to an impaired sperm quality when compared to fertile men.

  2. Cumulus and zona play an important role in the selection of morphologically abnormal and dysfunctional spermatozoa.

  3. Consequently, bypassing natural sperm selection processes would lead to more abnormal embryos, abortions, and births of diseased or handicapped children.

Spermatozoa can be analysed cytogenetically after fusion with zona-free hamster eggs or by fluorescence in situ hybridization (FISH). Both techniques did not confirm increased aberrations in gametes from subfertile men with a normal somatic karyotype. However, a definite conclusion cannot be drawn because of the limited data and restrictions concerning their interpretation. This also holds true for the evaluation of correlations indicating no significant relationship between the chromosomal constitution and sperm motility or morphology, respectively. Currently, the risk of malformation after microinsemination does not appear to be increased when compared to conventional IVF but the results do not yet allow a reliable Statistical evaluation. In contrast, decreased morphological quality, impaired implantation, and early abortions have been reported for embryos produced by assisted fertilisation. This suggests that an effective natural selection of abnormal embryos will prevent a significant increase in malformations in the following generation. Poor embryonic development would, in turn, imply the participation of cytogenetic factors and contradict previous analyses of spermatozoa. Moreover, we should recognise the effects of a high incidence of abortions on the patients, e.g., disappointed expectations and an increase in costs due to repeated trials. Therefore, further investigation of the chromosomes in gametes from subfertile patients and an intense genetic control of pregnancies and births following microinsemination should be recommended.