Zusammenfassung
Antispastika wirken im ZNS über die Verbesserung einer insuffizienten Hemmung (Baclofen,
Benzodiazepine) oder die Reduktion einer pathologisch gesteigerten Erregung (Tizanidin,
Memantine, Tolperison) und im PNS über eine Beeinträchtigung der neuromuskulären Übertragung
(Botulinumtoxin i. m.) oder der Muskelkontraktion (Dantrolen). In kontrollierten Studien
ist die Wirksamkeit dieser Medikamente auf die sogenannten „Plussymptome” der Spastik
(spastische Muskeltonuserhöhung, Kloni, Flexorreflexe) belegt und es ist unbestritten,
dass bei schwerer Spastik durch die Pharmakotherapie quälende Spasmen und Kloni reduziert
und Pflege- und Hygienemaßnahmen erleichtert werden können. Allerdings wurde die für
die Patienten wichtige funktionelle Verbesserung selten geprüft und war in den wenigen
Studien auch nur gering ausgeprägt. Andererseits sind die in Studien benutzten standardisierten
funktionellen Variablen oft nicht geeignet, für den einzelnen Patienten relevante
Funktionsgewinne zu belegen. Als Nebenwirkungen wurden Sedierung und Muskelschwäche
bei den meisten systemisch applizierten Antispastika beobachtet. Die intrathekale
Gabe von Baclofen ist in erster Linie bei nicht gehfähigen Patienten mit schwerer
Paraspastik indiziert. Die intramuskuläre Injektion von Botulinumtoxin ist zur gezielten
Reduktion der Spastik in umschriebenen Muskelgruppen geeignet. Dies gilt besonders
für die Flexorenspastik der oberen Extremität und den Spitzfuß bei der Hemiparese
sowie die Adduktorenspastik bei der infantilen spastischen Zerebralparese. Allerdings
zeigten Studien mit diesen lokalen Applikationen auch nur einen geringen funktionellen
Zugewinn, der auch in einer besseren Pflegemöglichkeit liegen kann. Die Spastik sollte
nur dann medikamentös behandelt werden, wenn sie die Funktion, die Körperhaltung,
das subjektive Wohlbefinden oder die Pflege des Patienten beeinträchtigt und zu erwarten
ist, dass diese Störung durch eine Pharmakotherapie zu bessern ist. Diese Frage ist
für jeden Patienten individuell zu beantworten.
Summary
Anti-spastic agents act on the central nervous system by reinforcing weakened inhibition
(baclofen, benzodiazepines) or by reducing a pathologically high level of excitation
(tizanidine, memantine, tolperison). In the peripheral nervous system they usually
act at the neuromuscular junction (botulinum toxin) or directly on muscle contraction
(dantrolen). The effectiveness of these substances in reducing the „plus” symptoms
of spasticity (muscle hypertonus, clonus and flexor reflexes) has been established
in a number of controlled studies. It is clear that, for patients with severe spasticity,
pharmacological treatment reduces painful spasms and clonus, making the care and hygiene
of such patients much less problematical. It must be pointed out, however, that an
associated functional improvement, although of major interest to the patient, is rarely
considered in such studies, and if so, mostly superficially. The standardised functional
parameters employed in such studies are often ill suited to demonstrate individual
improvement. Most anti-spastic agents also have side effects, particularly sedation
and muscle weakness. Intrathecal application of baclofen is primarily useful in non-ambulatory
patients with severe paraspasticity. Intramuscular injection of botulinum toxin may
be used for localised reduction of spasticity in a defined muscle group, for example
spasticity of arm flexors and pes equinus in hemiparesis, or in spasticity of the
adductors in infant cerebral palsy. However, such localised application has not proved
to achieve more than a limited functional gain which may improve patient care. Spasticity
should be treated pharmacologically only after having considered the function, posture,
subjective feeling of well-being and the care of the patient and if some improvement
in these factors through pharmacological intervention appears likely. This question
must be answered for each patient on an individual basis.