Einleitung und Fragestellung: Die Berücksichtigung der maternalen Wünsche erhält in der Geburtshilfe eine zunehmende
Bedeutung. Kriterien wie Selbstbestimmung und Kundenorientierung werden kontrovers
diskutiert. Welche Bedeutung die Berücksichtigung maternaler Wünsche neben anderen
Kriterien für die Durchführung geburtshilflicher Interventionen hat, wurde im Verbund
Hebammenforschung in vorliegender Studie untersucht. Exemplarisch wurden die Sectio
caesarea, die Geburtseinleitung, die Episiotomie und die CTG-Überwachung betrachtet.
Methoden: Längsschnittliches qualitatives Design mit quasi-experimentellem Charakter. Geführt
wurden problemzentrierte Interviews nach Witzel mit Ärztinnen/Ärzten, Hebammen und
Verwaltungsleitern in einer Klinik mit implementiertem Hebammenkreißsaal sowie in
einer Kontrollklinik.
Ergebnisse: Der maternale Wunsch wird von den meisten GynäkologInnen als ausschlaggebendes Entscheidungskriterium
zur, aber auch gegen die Durchführung von Interventionen genannt. Beim Vergleich der
einzelnen Interventionen zeigen sich jedoch weit reichende Unterschiede in der Berücksichtigung
der mütterlichen Wünsche. Für einige Eingriffe erhalten die Frauen ein hohes Mitbestimmungsrecht,
für andere wird dieses eher vernachlässigt.
Schlussfolgerung: Es gilt kritisch zu überdenken, inwiefern die Berücksichtigung der maternalen Wünsche
ausschließlich im Sinne der Wertschätzung der Frauen Bedeutung erhält oder diese Wünsche
bewusst genutzt werden, um eigene Vorstellungen zu legitimieren. Dabei bleibt auch
zu hinterfragen, ob und warum die Frauen selbst ihre Anliegen im Hinblick auf einzelne
Interventionen mehr oder weniger vehement äußern bzw. durchzusetzen versuchen.