Fortschr Neurol Psychiatr 1980; 48(9): 461-493
DOI: 10.1055/s-2007-1002398
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Suchen und Verzweifeln Zum Problem selbstdestruktiven Verhaltens bei Jugendlichen unter besonderer Berucksichtigung der sog. ,,destruktiven Sekten"

Questing and Despairing. On the Problem of Self-Destructive Behaviour in Youths with Particular Reference to ,,Destructive Sects"E.  Lungershausen
  • Akademisches und Bezirkskrankenhaus Günzburg
    Abteilung Psychiatrie II der Universität Ulm
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 January 2008 (online)

Abstract

In recent years, some so-called ,,destructive sects" became increasingly active in the Federal Republic of Germany (West Germany). Almost always, those sects are under tight authoritarian rule. Either immediately or during the course of events, they ask of their members that they completely turn away from family and society, and demand unconditional allegiance to the sect.

They mainly address youths and young adults. It is hard to estimate the number of young sect members; however, it could well be several times ten thousand.

The problem appears serious enough to be monitored closely by the psychiatric community.

Because literature on this topic is widely dispersed and often hard to come by, we are trying to summarily describe the most important findings about the so-called ,,destructive sects", their forms of organization, their most important belief systems, their distribution and their influence on the minds of young people.

Without a doubt, the problem of ,,destructive sects" cannot be judged isolatedly but must be seen in the context of the big problems pertaining to our times, such as the increasing erosion of rules of conduct and structures of order, the loss of authority on the part of the parental generation and also, the question of the meaningfulness of our actions generally.

There are certainly parallels here to other destructive behavioural modes of young people, such as drug abuse or suicidal behaviour.

The purpose of this study is twofold: First, to go beyond a mere description of the present situation by following such possible connexions in thought, thus stimulating not only increased attention but also discussion. Second, to give suggestions for possible modes of therapy and prevention.

Zusammenfassung

In den letzten Jahren sind in der Bundesrepublik in zunehmendem Maße sogenannte ,,Jugend-Sekten" (,,destruktive Sekten") tätig geworden. Fast immer handelt es sich dabei um Sekten, die unter straffer autoritäter Führung stehen und von ihren Mitgliedern zum Teil sofort, zum Teil auch erst im weiteren Verlauf, die völlige Abwendung von Familie und Gesellschaft verlangen und an ihre Stelle die unbedingte Zuwendung an die Sekte fordern.

Sie richten ihre Werbung in erster Linie an Jugendliche und junge Erwachsene. Die Zahl solcher jugendlichen Sektenmitglieder ist schwer zu schätzen, dürfte aber einige Zehntausend betragen.

Das Problem scheint ernsthaft genug, um von der Psychiatrie aufmerksam verfolgt zu werden.

Da die Literatur zu diesem Thema breitgestreut und oftmals nur schwer auffindbar ist, wird versucht, die wichtigsten Erkenntnisse über die sogenannten ,,Jugend-Sekten", ihrer Organisationsformen, ihrer besonderen Glaubensinhalte, ihrer Verbreitung und ihres Einflusses auf die Psyche Jugendlicher einmal zusammenfassend darzustellen.

Zweifelsohne ist das Problem der ,,Jugend-Sekten" nicht isoliert beurteilbar, sondern muß im Kontext mit den großen, unserer Zeit immanenten Problemen gesehen werden, wie zum Beispiel dem zunehmenden Brüchigwerden von Verhaltensregeln und Ordnungsstrukturen, dem Autoritätsverlust der Eltern-Generation, aber auch der Frage nach der Sinnhaftigkeit unseres Tuns überhaupt.

Hier ergeben sich offensichtlich auch Parallelen zu anderen destruktiven Verhaltensweisen Jugendlicher, etwa dem Drogenabusus oder suizidalen Verhaltensweisen.

Über die reine Schilderung der gegenwärtigen Situation hinaus solchen möglichen Zusammenhängen nachzudenken und hierdurch nicht nur zu vermehrter Aufmerksamkeit, sondern auch zur Diskussion anzuregen, ist ebenso Gegenstand dieser Untersuchung wie der Hinweis auf Möglichkeiten der Therapie und Prophylaxe.

    >