ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2006; 115(10): 420
DOI: 10.1055/s-2006-955101
Thema des Monats

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Prophylaxe: der Megatrend für die Zukunft der Zahnmedizin

Klaus-Dieter Bastendorf
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Publication Date:
23 October 2006 (online)

„Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen, man kann Zukunft schaffen.” (Antoine de Saint-Exupéry)

Alle demoskopischen und ökonomischen Prognosen sagen der Medizin, vor allem der Präventivmedizin, eine große Zukunft voraus. Die Zukunft der Zahnmedizin des nächsten Jahrzehntes spiegelt sich in der Forschung von heute wider und lässt konkrete Aussagen zu. Ein Trend zeichnet sich deutlich ab: Die Zahnmedizin ist von einer Annäherung an die Humanmedizin gekennzeichnet. Wegen der Gleichheit von molekularen Mechanismen und Wechselwirkungen in der Pathogenese von Krankheiten oraler Gewebe und denen anderer Organe haben schon in der jüngeren Vergangenheit Forschungsergebnisse aus der Medizin ihre Auswirkungen auch auf die der Zahnmedizin gehabt. In der Zukunft wird die Erfassung des menschlichen Genoms, die Identifizierung aller Gene, ihrer jeweiligen Funktion und Kontrolle von Bedeutung für den gesamten Menschen sein und Humanmedizin, wie auch Zahnmedizin gleichermaßen betreffen. Diese Entwicklung zeigt der Paradigmenwechsel in der Parodontologie, der in den 90er-Jahren einsetzte, bereits heute. Das Hauptinteresse in der Parodontologie gilt inzwischen der Wirtsreaktion auf den bakteriellen Angriff sowie genetisch determinierten Parodontitisrisikofaktoren.

Die Medizin der Zukunft wird an Patienten, die Gesellschaft und die Ärzte neue Anforderungen stellen, mehr Optionen und damit mehr Freiheit bieten. Die Patienten werden, wenn sie informiert und motiviert sind, für einen Zuwachs an Therapiefreiheit und Eigenverantwortung für ihre Gesundheit mehr Zeit und mehr eigene Mittel einsetzen müssen. Aufgabe der Politik wäre es, Freiräume oder Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft zu schaffen. Die Gesundheitspolitik wird auch in Zukunft versagen, denn die Politik wird auch weiterhin Freiräume einschränken, anstatt sie zu öffnen. Die Mediziner müssen sich entscheiden, ob sie in Zukunft Verwalter der Krankenkassen im Sinne von Jörg-Dietrich Hoppe, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, werden: „Der neue Arzttyp, der durch Leitlinien und Therapievorschriften gelenkte umfassend überwachungsbedürftige Mediziner, der den Träger einer Krankheit möglichst kostengünstig abzufertigen hat.” Oder ob sie ihren Patienten - entgegen allen Bedenkenträgern - eine moderne, an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Medizin anbieten wollen.

Das bedeutet, dass die Zukunft der Zahnmedizin im Wesentlichen darin liegt, die Individualprophylaxe in den Praxisalltag zu integrieren. Mit der modernen prophylaxeorientierten Zahnmedizin lässt sich ein Menschheitstraum erfüllen: Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit könnte die Lebenserwartung des menschlichen Gebisses genauso groß sein, wie die Lebenserwartung der Menschen. Darüber hinaus gibt es in der Prophylaxe - außer den minimal-individualprophylaktischen Bema-IP-Positionen - keine Vertragszwänge. Der Zahnarzt kann seine fachlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen selbst steuern. Die Prophylaxe kann als alleinige, wie auch therapiebegleitende zahnärztliche Maßnahme zum wirtschaftlichen Erfolg der Praxis beitragen. Die Prophylaxe wird der Mittelpunkt zahnärztlichen Handelns, ohne den alle anderen Therapien nicht mehr zu vertreten sind. Zusammengefasst heißt das, Prophylaxe ist der Einstieg zum Ausstieg aus dem GKV-Denken - hin zum informierten Patienten, der Eigenverantwortung für seine Gesundheit übernimmt.

Dr. Klaus-Dieter Bastendorf

Eislingen

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