Zeitschrift für Phytotherapie 2006; 27 - P03
DOI: 10.1055/s-2006-954905

Akute Wirksamkeit eines Baldrian-Trockenextraktes auf die Schlaftiefe beim Menschen. Eine doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte Studie im parallelen Design

W Dimpfel 1
  • 1Justus Liebig Universität Gießen c/o NeuroCode AG, Sportparkstr. 9, 35578 Wetzlar

Schlaflosigkeit, d.h. Klagen über Ein- und Durchschlafstörungen, frühmorgendliches Erwachen und Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit ist ein in der Bevölkerung weit verbreitetes Symptom, das etwa 1/5 bis 1/3 der erwachsenen Bevölkerung der Industrieländer betrifft. Aufgrund der in der Regel besseren Verträglichkeit von pflanzlichen Präparaten wird daher für diese ein deutlicherer Wirksamkeitsnachweis angestrebt. Zu den am häufigsten angewandten Präparaten gehören Extrakte der Baldrianwurzel. Allerdings konnte bislang noch keine akute Wirkung eines Baldrianextraktes nachgewiesen werden. Deshalb wurde in dieser GCP-konformen Studie versucht, die Wirksamkeit von Baldrian-Dragees (Klosterfrau Nervenruh® Baldrian forte; 600mg Trockenextrakt, Verhältnis Droge zu Extrakt 3–6:1; Auszugsmittel 70% Alkohol) mithilfe einer neuen, validierten Schlafanalyse nachzuweisen. Insgesamt wurden 36 Personen im Alter von 35 bis 70 Jahre mit Ein- und/oder Durchschlafstörungen in die Studie eingeschlossen. Die Auswahl erfolgte über die Erfassung und Auswertung der Symptomatik mithilfe des Schlaffragebogens SF-B (Collegium Internationale Psychatriae Scalarum). Alle „Schlechtschläfer“ wurden in der ersten Nacht an die Verhältnisse im Schlaflabor adaptiert. In der zweiten Nacht erhielten sie eine Stunde vor dem Zubettgehen ein Dragee Plazebo (n=18) oder Verum (n=18) in randomisierter, doppelblinder Verschlüsselung.

Die Auswertung erfolgte mithilfe des in einer früheren Studie gegen die Kriterien von Rechtschaffen und Kales validierten spektralen Frequenzindexes (SFx), welcher ein objektiver, quantitativer Parameter auf der Basis der Frequenzanalyse des Schlaf-EEGs darstellt [1]. Anhand dieses Parameters wurde der Schlaf in sukzessive Bereiche von Schlaftiefen unterteilt, d.h. z.B. Schlaftiefe unterhalb von 77% oder unterhalb von 71%, usw. (oberhalb von 80% besteht Wachheit). Für jeden Schlaftiefenbereich wurde dann die Verweildauer in Minuten bestimmt. Ein Vergleich der unbehandelten Gruppe dieser Studie mit Daten von gesunden Schläfern einer früheren Studie zeigte bezüglich dieses Parameters deutliche Unterschiede, d.h. die Verweildauer in den verschiedenen Schlaftiefenbereichen war signifikant niedriger. Die Analyse der Baldriangruppe zum Zeitpunkt Adaptationsnacht zeigte eine mit der Plazebogruppe vergleichbare Gruppe von Schlechtschläfern. Dies berechtigt einen Vergleich der Parameter der Baldrian- mit der Plazebogruppe nach Erhalt der jeweiligen Prüfmedikation (Zeitpunkt Prüfmedikationsnacht). Die mit Baldrian behandelte Gruppe zeigt im Vergleich zu Plazebo generell eine höhere Verweildauer in den Schlaftiefenbereichen unterhalb von 77 bis unterhalb von 53%, also in Richtung normaler Schlaf. Die Irrtumswahrscheinlichkeit unterhalb von 77% und unterhalb von 74% betrug p<0,07 bzw. p<0,08.

Darüber hinaus wurden in der Plazebogruppe deutlich mehr Bewegungsereignisse registriert (p<0,06). Die Verträglichkeit des Präparates war sehr gut. Damit ist es meines Wissens zum ersten Mal gelungen, die positive Wirkung eines Baldrianextraktes bei Schlafstörungen objektiv und quantitativ messtechnisch zu erfassen.

[1] Dimpfel W, Hofmann HC, Schober F, Todorova A: Validation of an EEG-derived spectral frequency index (SFx) for continuous monitoring of sleep depth in humans. Eur J Med Res 1998; 3: 453–460.