Zeitschrift für Phytotherapie 2006; 27 - V29
DOI: 10.1055/s-2006-954895

Risikobewertung von Arzneimitteln nach pharmakologischen und toxikologischen Prinzipien

J Schulze 1
  • 1Fachbereich Medizin, Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt/Main, Theodor Stern Kai 7, 60590 Frankfurt/Main

Die langfristige Sicherheitsbewertung von Arzneimitteln erfolgt in Deutschland überwiegend durch die Bewertung von Spontanmeldungen.

Hierbei wird der Verdacht eines Kausalzusammenhanges zwischen beobachteten UAW und der Einnahme spezifischer Pharmaka gemeldet, ohne dass ein möglicher Schädigungsmechanismus (toxisch, immunologisch, idiosynkratisch) vom Melder postuliert oder angegeben werden muss. Die Kausalitätsbewertung des Zusammenhanges erfolgt meist ohne weitere Datenerhebung seitens der Behörden; sie nimmt häufig auch keinen Bezug auf pathophysiologische Zusammenhänge. Für die Ableitung von Konsequenzen aus bekannt gewordenen unerwünschten Wirkungen ist eine Risikobewertung erforderlich; hierbei erfolgte in letzter Zeit gelegentlich eine Ableitung von Maximaldosierungen nicht nach pharmakologischen, sondern toxikologischen Prinzipien. Für die Abschätzung von Arzneimitteldosierungen ist initial die Identifizierung einer indikationsbezogenen wirksamen Dosierung erforderlich.

Anhand dieser Wirkdosis müssen anschließend die dosisbezogene Nebenwirkungshäufigkeit und -schwere identifiziert werden. Erst der Vergleich dieser beiden Größen kann eine Nutzen-Risiko-Abschätzung ermöglichen. Im Gegensatz hierzu erfolgt eine toxikologische Risikobewertung unter der Annahme eines fehlenden Nutzens. Unter dieser Annahme wird der „NOAEL“ (no observable adverse effect level) bestimmt. Hierbei gilt jede nachweisbare Wirkung als „effect“, auch ein eventuell pharmakologisch nutzbarer Effekt. Eine Arzneimitteldosierung, die auf einer toxikologischen Risikoabschätzung beruht, kann daher prinzipiell nur zur Festlegung unwirksamer Höchstdosierungen führen und muss daher für Arzneimittel abgelehnt werden. Analoge Überlegungen gelten für Lebensmittel; wie leicht nachvollziehbar, führt die toxikologische Festsetzung einer „Maximaldosis“ für Wasser zu unrealistisch niedrigen Werten.