Aktuelle Ernährungsmedizin 2006; 31 - P59
DOI: 10.1055/s-2006-954560

„Adipositas induzierte respiratorische Dysfunktion“ – atemmechanisch bedingte respiratorische Beschwerden bei Kinder und Jugendlichen mit Adipositas

A van Egmond-Fröhlich 1, V Maryuschenko 1, J Lecheler 1
  • 1Kinder-Reha-Klinik „Am Nicolausholz“ Bad Kösen, Asthmazentrum Buchenhöhe, Berchtesgaden

Einleitung und Ziel: Bei Erwachsenen und Kindern wurde wiederholt eine Assoziation zwischen der Prävalenz und Inzidenz von Asthmadiagnosen und dem Körpermassenindex (BMI) bzw. der Adipositas belegt. Schweregradabhängig kommt es bei Adipositas unter der Last der thorakalen und abdominellen Fettmassen zu einer Absenkung der Atemruhelage, Erhöhung der Atemarbeit und einem Trend zur restriktiven Ventilationseinschränkung. Im Extremfall entsteht in Rückenlage eine Flusslimitierung, Hypoxämie und Orthopnoe. Andererseits konnte kein Zusammenhang zwischen dem BMI und der Prävalenz einer Atopie oder bronchialen Hyperreagibilität nachgewiesen werden. Es stellt sich daher die Frage, ob die gehäufte Asthmadiagnose bei Adipösen auf einer Fehlinterpretation der mechanisch bedingten Symptome beruht. Patienten und Methode: Im Rahmen der stationären medizinischen Rehabilitation bei Asthma bronchiale wurde bei adipösen Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 9 und 17 Jahren respiratorische Beschwerden mit dem ISAAC Fragebogen und dem Fragebogen respiratorische Symptome bei Adipositas (Eigenentwicklung) erfragt und falls diese angegeben wurden, eine Diagnostik mittels Spirometrie im Stehen und Liegen, Histaminprovokationstestung und Prick-Test auf inhalative Allergene durchgeführt. Ergebnis: 70 Patienten (56% Mädchen) im Durchschnittsalter von 13,57±1,78 Jahren mit einem BMI-SDS von 2,68±0,57 wurden befragt. 61% gaben respiratorische Beschwerden in mindestens einem Fragebogenitem als häufig/immer an. Bei den x symptomatischen Patienten lag das exspiratorische Reservevolumen (ERV) im Liegen bei 46±19% gegenüber 81±18% im Stehen. Patienten mit Atemnot oder Pfeifen im Liegen, zeigten ein niedrigeres ERV. Von den 8 Patienten mit einer Asthmadiagnose war die Histaminprovokation bei 5 negativ, bei einem grenzwertig und zwei wurden aufgrund einer antientzündlichen Dauermedikation nicht getestet. Von den symptomatischen Patienten ohne Eingangsdiagnose Asthma war die Histaminprovokation bei 2 grenzwertig positiv und bei 30 negativ. Schlussfolgerung: Bei sorgfältiger Diagnostik einschließlich pharmakologischer Provokationstestung ist das Asthma bronchiale in unserer Stichprobe von adipösen Kindern und Jugendlichen nicht gehäuft. Die beobachtete Häufung der Diagnose Asthma bronchiale bei Adipositas ist am ehesten auf die Symptome der mechanisch bedingten Funktionseinschränkungen also einer „Adipositas-induzierte respiratorische Dysfunktion“ zurück zu führen. Alternative pathophysiologische Mechanismen werden diskutiert. In einer laufenden Multicenterstudie werden diese ersten Ergebnisse aus unserer Pilotstudie verifiziert. Die Differenzierung zwischen Asthma und mechanisch bedingter Symptomatik ist von therapeutischer Bedeutung. Ziel muss in jedem Fall die Steigerung der körperlichen Aktivität sein.