Aktuelle Ernährungsmedizin 2006; 31 - P54
DOI: 10.1055/s-2006-954555

Genetische Faktoren der Adipositas und koronaren Herzerkrankung (KHK)

M Soufi 1, AM Sattler 1, G Broenner 2, A Hinney 2, B Kurt 1, B Maisch 1, J Hebebrand 2, JR Schaefer 1
  • 1Dr. R. Pohl Stiftungsprofessur „Präventive Kardiologie“, Zentrum für Innere Medizin, Uniklinikum Gießen-Marburg, Standort Marburg
  • 2Klinik der Universität Duisburg-Essen, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Essen

Einleitung und Ziel: Die Atherosklerose und ihre Folgeerkrankungen insbesondere die koronare Herzkrankheit (KHK), sind die häufigste Todesursache in den westlichen Industrienationen. Daten der Framingham Heart Study konnten einen Zusammenhang zwischen Adipositas und Risikofaktoren für KHK, wie Dyslipoproteinämie, Hypertonie und Diabetes aufzeigen. In den letzten Jahren konnten in Tiermodellen und genetischen Assoziationsstudien Kandidatengene identifiziert werden (Soufi et al. Herz, 2006 (3): 200–206) die bei der Entstehung von Adipositas eine Rolle zu spielen scheinen (z.B. Melanocortin-4-Rezeptor (MC4R) und Very Low Density Lipoprotein Rezeptor (VLDLR)). Im Rahmen eines NGFN2-Neuronet: Obesity and related disorders geförderten Projekts, untersuchten wir bei Patienten aus dem Kollektiv der Marburger KHK-Präventions-Allianz den Einfluss von Mutationen/Polymorphismen in den Genen des MC4R und VLDLR auf den Lipidstoffwechsel und Adipositas. Methoden: Die Genotypisierung des MC4R-V103I-Polymorphismus erfolgte konsekutiv mit 1173 koronarangiographierten Patienten der „Marburger Präventions-Allianz“. Mutations-Untersuchungen des kompletten VLDLR-Gens wurden mit Denaturierender Gradientengel Elektrophorese (DGGE) initial bei einer Gruppe von 264 Patienten (BMI <25) und danach konsekutiv bei weiteren 739 Patienten durchgeführt. Ergebnisse: Die MC4R-Genotypisierungen identifizierten 57 heterozygote Träger des V103I-Polymorphismus. Merkmalsträger hatten signifikant niedrigere Triglyzeridspiegel (127 vs. 168mg/dl, p=0,009) verglichen mit Wildtyp-Trägern. Die DGGE-Analysen des VLDLR-Gens führten zur Detektion von 6 Mutationen (4 davon bisher unbeschrieben) in der initial gescreenten Patientengruppe (n=264). VLDLR-Mutationsträger hatten verglichen mit den Wildtyp-Trägern höhere Triglyzeridspiegel (+6,5%) und einen niedrigeren BMI (-3,5%). Eine nachfolgende Untersuchunge zur Häufigkeit der neuen VLDLR-Mutationen im Gesamtkollektiv wurde konsekutiv bei 739 Patienten durchgeführt. Hierbei wurden 10 weitere Mutationen entdeckt. Erneut fanden sich bei den Mutationsträgern verglichen mit den Wildtyp-Trägern höhere Triglyzeridspiegel (+12,2%) und niedrigere BMI-Werte (-3,5%). Schlussfolgerungen: Unsere Daten zeigen einen Einfluss von MC4R und VLDLR Mutationen/Polymorphismen auf wesentliche Parameter des Lipidstoffwechsels die bei der Entstehung von Adipositas eine Rolle spielen. Beim MC4R könnte eine mögliche Erklärung für verminderte Triglyzeridwerte bei den Merkmalsträgern, eine veränderte MC4-Rezeptoraktivierung auf die Expression der Stearoyl-CoA Desaturase 1 (SCD 1) einem Schlüsselenzym der Triglyzeridsynthese sein. Im Gegensatz dazu könnte bei den VLDLR-Mutationsträgern eine gestörte Aufnahme von Fettsäuren aus triglyzeridreichen Lipoproteinen in die Adipozyten stattfinden, was die erhöhten Triglyzeridspiegel und den niedrigeren BMI erklären würde. Von uns durchgeführte Transfektionsexperimente mit mutierten VLDL-Rezeptoren zeigten eine deutlich reduzierte VLDL- Aufnahme, was publizierte Daten aus Tiermodellen mit VLDLR-defizienten Mäusen zu bestätigen scheint. Zur Abklärung dieses Befunds sind jedoch weitere Experimente notwendig.