Einleitung und Ziel: Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen geraten zunehmend in das
Blickfeld der Öffentlichkeit. Genetische Faktoren sowie gemeinsame Umwelt (Ernährungs-
und Bewegungsverhalten) tragen zur Familiarität der Adipositas bei. In der Untersuchung
soll der Beitrag familiärer Faktoren bei übergewichtigen und adipösen Kindern und
Jugendlichen multizentrisch anhand einer großen Patientengruppe untersucht werden.
Patienten und Methode: Die APV-Dokumentation wurde in Kooperation mit der AG Adipositas bei Kindern und
Jugendlichen an der Universität Ulm entwickelt und erlaubt eine EDV-basierte, standardisierte,
prospektive Erfassung von relevanten Parametern der Anthropometrie, Komorbidität,
Einflussfaktoren und Therapie von Patienten in spezialisierten Therapieprogrammen.
Aktuell setzen 97 Zentren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dieses Dokumentationsprogramm
ein. Bis Juni 2006 wurden 25492 Patienten (Alter 1–20 Jahre) erfasst. Alters- und
geschlechts- unabhängige BMI-Werte (SDS-LMS-Transformation) wurden basierend auf den
Normalwerten der AGA (0–18 Jahre) und des RKI (>18 Jahre, Glättung im Übergangsbereich)
errechnet. Ergebnisse: Für 6402 Patienten lagen komplette Angaben zu Alter und BMI beider Eltern vor. Der
mediane BMI-SDS der Patienten betrug +2,41 (Q1: 2,04, Q3: 2,77), 37,2% der Patienten
waren extrem übergewichtig (>99,5. Percentile). Das mittlere Alter betrug 11,9 Jahre,
45% Jungen, 55% Mädchen. Der BMI-SDS der Patienten korrelierte signifikant mit dem
BMI der Mutter (r=0,31, Spearman) und des Vaters (r=0,20, beide p<0,0001). Beide Beziehungen
waren enger für Mädchen (r=0,33 bzw. r=0,21). Die Beziehung zum väterlichen BMI war
bei Jugendlichen (15–20 Jahre, r=0,23)höher als bei jungen Kindern (<10 Jahre: r=0,14)
– die Beziehung zum mütterlichen BMI war dagegen unabhängig vom Alter. Die BMI-Korrelation
zwischen den Eltern betrug r=0,17 (p<0,0001). Ein multivariates Modell mit BMI beider
Eltern, Alter und Geschlecht der Patienten erklärte 28% der Varianz. Signifikante
Einflussfaktoren waren mütterlicher BMI, das Geschlecht sowie die jeweiligen Interaktionen
zwischen mütterlichem BMI, Alter und Geschlecht. Für 2144 Patienten lagen BMI-Daten
von Geschwistern vor (1349 Brüder, 1266 Schwestern, 1,54 Geschwister pro Patient).
Die Geschwister waren mit einem BMI-SDS von +0,58 deutlich weniger adipös als die
Patienten. Die Korrelation des BMI der Patienten mit dem der Geschwister betrug +0,16,
die Beziehung war enger für betroffene Jungen (r=0,19) als für Mädchen (r=0,14). Außerdem
war die Korrelation mit dem BMI der Geschwister bei älteren Jugendlichen höher (<10J:
r=0,15, 10–15J: r=0,14, 15–20J.: r=0,24). Schlussfolgerung: Die multizentrische APV-Dokumentation übergewichtiger und adipöser Kinder und Jugendlicher,
basierend auf einer standardisierten EDV-Dokumentation ermöglicht es, große Patientengruppen
aus Adipositas-Therapieprogrammen gemeinsam zu untersuchen. Familiäre Einflussfaktoren
– Genetik oder Umwelt – spielen eine große Rolle bei Übergewicht und Adipositas in
Kindheit und Jugend.