Aktuelle Ernährungsmedizin 2006; 31 - P42
DOI: 10.1055/s-2006-954543

Wohlbefinden und Depressivität bei Kindern und Jugendlichen mit Übergewicht und Adipositas und Teilnahme an einem stationären strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogramm

S Radón 1, G Kromer 1, R Schiel 1
  • 1Inselklinik Heringsdorf, Haus Gothensee, Fachklinik für Diabetes und Stoffwechselerkrankungen, Seebad Heringsdorf

Übergewicht und Adipositas stellen ein erhebliches Risiko für eine Vielzahl von Begleit- und Folgeerkrankungen dar. Hierzu gehören auch psychosoziale Konsequenzen, wie erhöhte Depressivität und Selbstwertminderung (nach WHO, 2000). Bei der Therapie wird daher großer Wert auf eine positive Verschiebung dieser Parameter gelegt. Wichtiges Kriterium ist es, nachhaltig das psychische Wohlbefinden zu erhöhen. An einer klinischen Stichprobe von jungen Patienten mit Übergewicht und Adipositas wurde die Ausprägung der psychologischen Faktoren Depressivität und allgemeines Wohlbefinden überprüft. Patienten und Methoden: Alle Kinder und Jugendliche mit Übergewicht bzw. Adipositas, die zwischen Sommer 2005 und Frühjahr 2006 in unserer Klinik am strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogramm (SBSP) teilgenommen hatten und von denen Daten zum 6-Monats-Follow-up vorliegen, wurden untersucht (n=98, Alter 13,9±2,3 Jahre, BMI 30,7±5,5kg/m2, BMI-SDS 2,46±0,52, 52% Mädchen). Vorgelegt wurde den Patienten u.a. der WHO-5 Fragebogen zum Wohlbefinden (5 Items) und das Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche (DIKJ; 26 Items). Ergebnisse: Die Datensätze von 77/98 Kindern und Jugendlichen (79%) waren auswertbar. Zu Beginn des SBSP korrelierten das Ausmaß der Depressivität und die Lebenszufriedenheit negativ miteinander (r=-0,25, p=0,028). In der multivariaten Analyse ergab sich ebenfalls eine Assoziation zwischen Depressivität und Lebenszufriedenheit (R-square=0,049, ß=-0,25, p=0,033). Alle anderen in das Modell einbezogenen Parameter (Geschlecht, Alter, BMI, BMI-SDS, Motivationsscore) zeigten keine Assoziationen. Das Ausmaß der Depressivität hatte bis 6 Monate nach Teilnahme am SBSP abgenommen (53,5±8,3 vs. 47,6±9,5, p<0,05). Jetzt zeigten sich in der multivariaten Analyse Assoziationen (R-square=0,28) zwischen der aktuellen Lebenszufriedenheit (ß=-0,51, p<0,001) und dem BMI-SDS (ß=0,26, p=0,009). Weiterhin zeigten sich positive Veränderungen im Hinblick auf die Lebenszufriedenheit (50,1±20,1 vs. 56,7±21,5, p<0,05).

Schlussfolgerungen: Das SBSP bei Kindern und Jugendlichen ist bezüglich der Verbesserung psychischer Parameter nach Entlassung effektiv. Das Ausmaß der Depressivität nimmt ab, die Lebenszufriedenheit steigt. Diese Verbesserung bzw. Stabilisierung der Stimmungslage war nachweisbar über einen Zeitraum von 6 Monaten nach Ende des SBSP. Dieser positive Effekt ist unabhängig vom Körpergewicht oder der Gewichtsreduktion. Die Notwendigkeit der psychologischen Begleitung und Intervention während des SBSP wird hierdurch unterstrichen.