Aktuelle Ernährungsmedizin 2006; 31 - V41
DOI: 10.1055/s-2006-954494

Psychologische Aspekte der Adipositas bei Kindern: Figurunzufriedenheit, Essverhalten, körperliche Aktivität und Lebensqualität

C Vögele 1, I Brewing 1, D Bray 1
  • 1Clinical and Health Psychology Research Centre, Roehampton University, London

Die steigende Prävalenz übergewichtiger und adipöser Kinder in unserer Gesellschaft stellt eines der herausragenden Gesundheitsprobleme unserer Zeit dar. Mit Übergewicht und Adipositas sind sowohl eine Reihe schwerer medizinisch-somatischer Krankheiten als auch Einschränkungen der psychischen Befindlichkeit verbunden. Im Gegensatz zu dieser Entwicklung steht ein ubiquitäres Schönheitsideal, das den schlanken (untergewichtigen) Körper propagiert. Es ist deswegen kaum verwunderlich, dass die Unzufriedenheit mit der eigenen körperlichen Erscheinung ein weit verbreitetes Phänomen in der Bevölkerung darstellt. Mit der Unzufriedenheit mit dem eigenen Erscheinungsbild sind allerdings auch möglicherweise gesundheitsschädliche Verhaltensweisen wie Diätverhalten und andere ungesunde Gewichtsabnahme-Strategien verbunden, die wiederum als Risikofaktoren für Essstörungen betrachtet werden. Die meisten Forschungsarbeiten konnten diesen Zusammenhang von Körperunzufriedenheit und Diätverhalten bei Erwachsenen und Jugendlichen nachweisen; als Besorgnis erregend wird in letzter Zeit die zunehmende Anzahl von Kindern eingeschätzt, die sich zum Teil in sehr jungen Jahren rigorosen Diätplänen unterwerfen, um dem ästhetischen Ideal des schlanken Körpers zu entsprechen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen darauf schließen, dass dieser Wunsch nach einem schlanken Körper bei Mädchen deutlicher ausgeprägt ist, als bei Jungen. Allerdings lässt die beträchtliche Streuung in den geschätzten Prozentsätzen vermuten, dass entweder methodische Unterschiede in den verwendeten Messinstrumenten oder andere Moderatorvariablen die Vergleichbarkeit von Ergebnissen erschwert. Ziel: Das Ziel der vorliegenden Studie war die Untersuchung von Figurunzufriedenheit, Diätverhalten und körperlicher Aktivität bei Jungen und Mädchen. Patienten und Methode: Die Stichprobe bestand aus 432 Kindern (227 Mädchen) im Alter von 7 bis 11 Jahren. Mit einer Körperumrissskala wurden die gewünschte und die wahrgenommene Körperform erfasst. Weitere Fragebögen erfassten das Diätverhalten, die Lebensqualität und die vom Kind wahrgenommene Einstellung der Eltern und von Freunden („peers“) zu Körperbild und Diät. Körperliche Aktivität wurde mit einem über sieben Tage auszufüllenden Tagebuch erhoben. Ergebnis: 35,5% der Kinder gaben an, dünner sein zu wollen, wobei dieser Anteil bei den übergewichtigen und adipösen Kindern (17,8% der Gesamtstichprobe) signifikant größer ist als bei den normalgewichtigen. Mädchen berichteten über eine signifikant niedrigere Lebensqualität auf den Faktoren Selbstwert, körperliches Wohlbefinden und Erkrankung. Schlussfolgerung: Es ist besorgniserregend, dass der Prozentsatz von Kindern, die dünner sein wollen, weit über dem der tatsächlich übergewichtigen Kinder liegt.