Aktuelle Ernährungsmedizin 2006; 31 - V3
DOI: 10.1055/s-2006-954456

Adipositas bei Einschülern im Land Brandenburg – Trends über 10 Jahre und Zusammenhänge mit der sozialen Lage

A Böhm 1
  • 1Landesgesundheitsamt Brandenburg, Wünsdorf

Einleitung und Ziel: „Unsere Kinder werden immer dicker“ – So und ähnlich ist der Tenor in der Medienberichterstattung. Der Vortrag wird ein differenzierteres Bild auf der Grundlage von Daten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes aus dem Land Brandenburg zeichnen. Hierbei sollen die Entwicklung der Adipositasraten und Zusammenhänge mit der sozialen Lage der Familien gezeigt werden. Wir beschränken uns auf Adipositas als medizinisch relevantem Befund. Methoden: Im Rahmen der ärztlichen Untersuchungen des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes der Gesundheitsämter werden in Brandenburg alle Einschüler jährlich untersucht. Datenreihen von Mitte der 90er Jahre bis zur Gegenwart mit jährlich mehreren Tausend Kindern geben Antwort auf die Frage nach dem Anteil adipöser Kinder. Die BMI-Referenzsysteme von Cole et al. (2000) und von Kromeyer et al. (AGA-Empfehlung) werden vergleichend verwendet. Die soziale Lage der Kinder wird über den 3-stufigen Brandenburger Sozialindex (Schulbildung und Erwerbstätigkeit der Eltern) definiert. Ergebnis: Die Adipositasraten der Mädchen lagen 1994 bei 4,6%, 2005 verzeichnen wir 4,4% (Referenzsystem Cole et al. 2000). Bei den Jungen wurde 1994 eine Adipositasrate von 3,3% registriert, 2005 waren es 4,5%. Nach dem Referenzsystem von Kromeyer et al. sind die Ergebnisse vergleichbar. Bei genauerer Betrachtung der Zeitreihe zeigt sich allerdings bei beiden Geschlechtern ein Anstieg bis Ende der 90er Jahre und seitdem ein Rückgang bzw. eine Seitwärtsbewegung.

Einschüler aus Familien mit niedrigem Sozialstatus haben dreifach höhere Adipositasraten als Einschüler aus Familien mit hohem Sozialstatus. Schlussfolgerung: Die pauschale Behauptung, es gäbe immer mehr adipöse Einschüler, ist falsch. Daten aus anderen Bundesländern, sofern verfügbar, gehen in eine ähnliche Richtung. Ein blinder Alarmismus ist nicht angebracht. Behandlungsmaßnahmen sind, wie empirische Studien ausweisen, bislang nicht überzeugend erfolgreich. Das mag u.a. auch daran liegen, dass die Zielgruppe vor dem Hintergrund der benachteiligten sozialen Lage nicht leicht erreichbar ist.