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DOI: 10.1055/s-2006-954358
Identifikation von Schmerzpersönlichkeiten im prä-chronischem Stadium bei Patienten nach erster Bandscheiben Operation in der Anschlussrehabilitation
Fragestellung: Die Persönlichkeit des Schmerzpatienten wird als ein wichtiger Faktor angesehen, der zur Schmerzauslösung und -aufrechterhaltung beiträgt. Im Fear-Avoidance-Modell von Phillips (1987) und im Avoidance-Endurance-Modell von Hasenbring (1993) werden die verschiedene Persönlichkeitstypen in Bezug auf ihre maladaptiven Verhaltensweisen beschrieben. Das Avoidance-Endurance-Modell basiert auf Studienergebnissen bei Patienten mit akuten bandscheibenbedingten Rückenschmerzen und erweitert das Fear-Avoidance-Modell um die Schmerzverarbeitungsmuster. Das Fear-Avoidance-Modell basiert auf Untersuchungen zu auffälligen Reaktionsweisen kognitiver, emotionaler und behavioraler Art auf Schmerz. Bei Patienten, die auf Schmerz mit Gedanken des Katastrophisierens, der Hilflosigkeit und der Angst reagieren, werden Schonhaltungen und bewegungen sowie das Meiden potenziell schmerzauslösenden Aktivitäten ausgelöst. Dies kann zu muskulären Verspannungen und auf Dauer zu Schmerzen führen. Auf der sozialen Ebene führt das Meiden von angenehmen sozialen Aktivitäten zu sozialer Isolation und Verlustsgefühl. Folgen können depressive Verstimmung sein, die ihrerseits einen Beitrag zu Schmerzaufrechterhaltung und Intensivierung leistet: Patienten chronifizieren umso eher, je mehr sie maladaptive Gedanken entwickeln. Mithilfe des Kieler Schmerzinventars drei klinische Gruppen gebildet werden (Hasenbring 1994). Der „verängstigte Typ“, zeigt ein depressives Vermeidungsverhalten und zeichnet sich durch eine erhöhte Depressivität und ein erhöhtes ängstlich-depressives Schmerzerleben aus. Der, „depressive Durchhalter“ zeigt ein depressives Durchhalteverhalten und zeichnet sich durch eine leicht erhöhte Depressivität sowie ein erhöhtes ängstlich-depressives Schmerzerleben aus. Der „Ignorant“ dagegen zeigt ein fröhliches Durchhalteverhalten mit einer ausgesprochen positiven Stimmungslage unabhängig von starken Schmerzen.
Methodik: In einer eigenen Untersuchung im Rahmen des Verbundforschungsprogramms Rehabilitationsforschung wurde die Hypothese geprüft, ob die genannten ‘Schmerzumgangstypen’ mit international gebräuchlichen Assessmentverfahren reproduziert und validiert werden können. Dazu wurden zu Beginn der stationären Anschlussrehabilitation n=290 Patienten nach 1. Bandscheibenoperation dokumentiert. Zur Prüfung der Hypothese wurde die Clusteranalyse nach der Ward Methode angewendet. Folgende Assessmentverfahren wurden in Anlehnung an Hasenbrings Beschreibungen berücksichtigt:
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FKV-Subskalen: „Depressive Verstimmung“, „Aktives problemorientiertes Coping“, „Ablenkungsstrategien und Selbstaufbau“, „Bagatellisierung“
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FABQ-Subskalen: „Körperliche Aktivitäten, die Rücken schädigen, unterlassen“, „Kausalität: Arbeit ist Schuld an den Schmerzen“, „Prognose von Beruf: Zukunft meiner Arbeit“
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FSS-Subskalen: „Hemmende Selbstinstruktionen“, „Fördernde Selbstinstruktionen“
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F-Sozu-Subskala: „Soziale Unterstützung“
Ergebnisse: Die Ergebnisse der Clusteranalyse konnten zwei der drei Bewältigungstypen reproduzieren: Depressive und Fröhliche Durchhalter. In Übereinstimmung mit dem Avoidance-Endurance-Modell von Hasenbring wurde eine vollständige Replikation der Schmerzverarbeitungstypen angestrebt („Depressive Vermeider“, „Depressive Durchhalter“ und „Fröhliche Durchhalter“). Jedoch konnte der dritte Schmerzverarbeitungstyp, „Depressive Vermeider“, im vorhandenen Patienten-Pool nicht gefunden werden (eine Dreiclusterlösung war inhaltlich für weitere Auswertungen problematisch, da sie eine zu geringe Differenzierung der Ergebnisse ergab).
Diskussion: Es kann gezeigt werden, dass die von Hasenbring inhaltlich und empirisch dargestellten Schmerzverarbeitungstypen erstaunlich konsisten zu sein scheinen. zwei von drei Verarbeitungstypen konnten mittels internationaler Assessmentverfahren reproduziert werden. Die Identifikation dieser Schmerzverarbeitungstypen erlaubt darüber hinaus Überlegungen für eine differentielle Zuweisung zu spezifischen rehabilitativen Interventionen.