Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - P12_10
DOI: 10.1055/s-2006-954210

Behandlung einer therapierefraktären Hyperkalzämie bei fortgeschrittenem Mammakarzinom durch Chemotherapie

I Strohscheer 1, W Schippinger 2, H Samonigg 1, 2
  • 1Universitäre Palliativmedizinische Einrichtung am LKH-Universitätsklinikum Graz, Österreich
  • 2Klinische Abteilung für Onkologie, Graz, Österreich

Die Indikationsstellung für die Durchführung einer Chemotherapie kann bei Patienten mit weit fortgeschrittener Tumorerkrankung schwierig sein. Der Grad zwischen einer möglicherweise noch wirksamen, gegen das Tumorgeschehen gerichteten aber mit Nebenwirkungen behafteten Therapie einerseits und Maßnahmen im Sinne des „best supportive care“ andererseits ist oftmals schmal. Wir berichten von einer Patientin mit einem weit fortgeschrittenen hepatisch metastasierten Mammakarzinom, bei der die Entscheidung für die Durchführung einer Chemotherapie getroffen wurde. Eine 69-jährige Patientin mit einem 6 Jahren zuvor diagnostizierten Mammakarzinom wurde aufgrund therapierefraktärer Tumorschmerzen bei ausgeprägter hepatischer und ossärer Metastasierung an die Universitäre Palliativmedizinische Einrichtung zugewiesen. Die Patientin war zum Zeitpunkt der Zuweisung immobil und brauchte Unterstützung bei der Verrichtung täglicher Aktivitäten. Eine tumorspezifische Therapie war von der primärbehandelnden Abteilung aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes der Patientin als nicht mehr indiziert erachtet worden. Klinisch bestand eine- trotz intensiver Therapie mit Bisphosphonaten, Steroiden, Calcitonin und Schleifendiuretika – refraktäre Hyperkalzämie. Nach einem interdisziplinärem Konsilium mit Palliativmedizinern und Onkologen wurde nach Eruierung einer möglichen chemotherapeutischen Option ein ausführliches, die verschiedenen Möglichkeiten des Vorgehens in Betracht ziehendes Gespräch mit der Patientin geführt. Diese äußerte nachhaltig einen Therapiewunsch und es wurde – trotz der angenommenen äußerst limitierten Prognose – eine orale Monochemotherapie mit Capecitabin eingeleitet. Unter dieser Therapie kam es bereits nach dem ersten Zyklus zu einer Normalisierung der Serumkalziumwerte und zu einem deutlichen Rückgang der Leberenzyme. Die Behandlung wurde von der Patientin gut vertragen und ihr Gesamtzustand besserte sich deutlich. 4 Monate nach Einleitung der Therapie sind die Tumorverlaufsparameter weiterhin deutlich regredient, die Patientin befindet sich in einem altersentsprechend guten Allgemeinzustand. Palliative Chemotherapien sind heutzutage aufgrund des verbesserten Wirkungs-/Nebenwirkungsprofils und der Verfügbarkeit eines großen Spektrums supportiver Maßnahmen weitaus besser verträglich als noch vor wenigen Jahren. Auch Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen können, nicht nur bezüglich der Symptomlinderung, sondern auch bezüglich einer Lebensverlängerung unter Umständen deutlich davon profitieren. Die Beendigung von tumorspezifischen Maßnahmen sollte in Einzelfällen von internistischen Onkologen und Palliativmedizinern gemeinsam kritisch evaluiert werden.