Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - P11_2
DOI: 10.1055/s-2006-954198

Etablierung einer Interdisziplinären Palliativstation im universitären Bereich

M Weber 1, 2, T Hundsberger 3, R Rolke 3, U Siepmann 1, 2, R Schwab 4, J Jage 4
  • 1Interdisziplinäre Einrichtung für Palliativmedizin, Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • 2III. Medizinische Klinik, Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • 3Klinik für Neurologie, Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • 4 Klinik für Anästhesiologie, Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Einleitung: Eine angemessene palliativmedizinische Betreuung erfordert zum einen ein multiprofessionelles Team. Zum anderen ist für eine angemessene Behandlung der komplexen Krankheitssymptome sehr häufig auch ein interdisziplinärer ärztlicher Zugang sinnvoll. Gerade im universitären Bereich bieten sich hier besondere Chancen. Methoden: Im Zuge der Etablierung einer Palliativstation mit 8 Betten wurde im Januar 2004 ein multiprofessionelles Vorbereitungsteam aus Medizin, Pflege, Physiotherapie, Seelsorge und Sozialdienst gebildet. Ärztlicherseits gehörten diesem Team Vertreter der Kliniken für Anästhesiologie, Neurologie und Innere Medizin (Schwerpunkt Hämato-Onkologie) an, die in einer Untergruppe eine interdisziplinäre ärztliche Betreuungsstruktur konzipierten. Diese wurde in den ersten Monaten nach Eröffnung der Palliativstation im Dezember 2005 überprüft und weiterentwickelt. Resultate: Die Palliativstation wurde organisatorisch der Klinik für Innere Medizin (III. Med. Klinik) zugeordnet. Dort sind auch die Stellen des verantwortlichen Oberarztes und der Stationsärztin sowie der Pflege (Schlüssel 1,3:1), des Sozialdienstes (0,5 Stelle) und der Physiotherapie (0,5 Stelle) angesiedelt. Die Vertretung auf oberärztlicher Ebene wird von der Klinik für Anästhesiologie wahrgenommen. Rotationsassistenten der beteiligten Kliniken werden von der Stationsärztin in die Stationsroutine eingeführt und übernehmen deren Vertretung. Die Interdisziplinarität der ärztlichen Betreuung wird durch gemeinsame Visiten und tägliche interprofessionelle und interdisziplinäre Patientenbesprechungen gewährleistet. Regelmäßige Teamsitzungen sowie die im Abstand von 4 Wochen stattfindende Supervision für alle Mitarbeiter bieten zusätzliche Möglichkeiten, eine weitgehende Transparenz unter den verschiedenen Berufsgruppen sowie zwischen den beteiligten Kliniken herzustellen. Die Direktoren der drei beteiligten Kliniken treffen sich darüber hinaus vierteljährlich zu einer Leitungskonferenz und nehmen regelmäßig an Visiten und/oder Patientenbesprechungen teil. Im Zeitraum vom 7.12.05 bis zum 1.4.06 wurden 59 Patienten aufgenommen. Die Patienten litten überwiegend an onkologischen Erkrankungen (49; 83%), darüber hinaus jedoch auch an weit fortgeschrittenen allgemeininternistischen (5; 8%) und neurologischen (5; 8%) Erkrankungen. Von den Patienten konnten 21 (36%) nach Hause entlassen werden, 10 (17%) wurden in ein stationäres Hospiz verlegt, 27 (47%) starben auf der Palliativstation. Schlussfolgerungen: Die Einrichtung einer Palliativstation an einem Universitätsklinikum eröffnet wichtige Chancen zur Ergänzung der Hochleistungsmedizin, zur interprofessionellen und zur ärztlichen interdisziplinären Zusammenarbeit, zur Forschung und zur dringend nötigen Ausweitung der studentischen Lehre. Eine interdisziplinäre ärztliche Betreuung ist für Patienten ebenso wie für die beteiligten Ärzte hilfreich und sinnvoll. Sie erfordert allerdings ein hohes Maß an Absprachen und Kommunikationsbereitschaft sowie den Einsatz zusätzlicher finanzieller Mittel, da die mit den Krankenkassen verhandelten Arztschlüssel derzeit eine interdisziplinäre ärztliche Besetzung nicht erlauben würden.